Quantcast
Channel: Museum and the City » Serien
Viewing all 240 articles
Browse latest View live

Interview mit dem Holzrestaurator: Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie

$
0
0
Wolfgang Dambacher in seiner Werkstatt. Foto: schmedding.vonmarlin.
Wolfgang Dambacher in seiner Werkstatt. Foto: schmedding.vonmarlin.

In der Werkstatt von Wolfgang Dambacher stapeln sich Mustertafeln mit verschiedenen Holzoberflächen. Sie sind das Ergebnis der Voruntersuchungen zur Behandlung der Brauneiche im Mies-van-der-Rohe-Bau. Unsere Redakteurin Constanze von Marlin sprach mit dem Holzrestaurator über seine Erfahrungen.

Herr Dambacher, Schwerpunkte Ihrer Arbeit sind die Bereiche Möbelrestaurierung, Baudenkmalpflege und Metallarbeiten. Welche Aufgabe haben Sie im Rahmen der Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie?
Wolfgang Dambacher: Mein ursprüngliches Arbeitsfeld ist die Möbelrestaurierung, ich bin aber momentan im Wesentlichen in der Baudenkmalpflege tätig. Da ich Werkzeugmacher gelernt habe, restauriere und rekonstruiere ich zudem auch Beschläge. Meine erste Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro von David Chipperfield war die restauratorische Aufarbeitung der Türen im Neuen Museum in Berlin. Mein aktueller Auftrag für die Neue Nationalgalerie bezieht sich auf die Oberflächen der mit Brauneiche furnierten Flächen. Im Rahmen der restauratorischen Voruntersuchung durch ProDenkmal müssen Muster angefertigt werden, um die notwendigen Maßnahmen präzise formulieren zu können. Zum einen dienen die Muster dazu, das angestrebte Endergebnis zu dokumentieren, zum anderen belegen sie die entsprechenden Verfahren, um dieses Ziel zu erreichen. Das heißt, das Verfahren soll klar sein, wie mit den Oberflächen und Materialien bei der tatsächlichen Restaurierungsarbeit umgegangen werden soll.

Musterfläche auf Tresen mit Proben für Reinigung und Schellackauftrag. Foto: schmedding.vonmarlin.
Musterfläche auf Tresen mit Proben für Reinigung und Schellackauftrag. Foto: schmedding.vonmarlin.

Wie gestaltet sich der Prozess der Abstimmung über die zur Auswahl stehenden Materialien und Methoden?
Aufgrund der vielen Beteiligten ist es ein langer Prozess. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, die Nationalgalerie, das Büro David Chipperfield Architects, die Berater Fritz Neumeyer und Dirk Lohan sowie die Denkmalpflege müssen sich über das erwartete Ergebnis verständigen und eine umsetzbare Vorgabe formulieren. Diese Diskussionen sind notwendig, denn über die restauratorischen Maßnahmen bestehen unterschiedliche Ansichten. Der Grad der Restaurierung ist die zentrale Frage in der Denkmalpflege. Die verblichenen Paneele der Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie entsprechen nicht mehr der Intention von Mies van der Rohe. Wie weit will man gehen, um den ästhetischen Anspruch des Erbauers, zum Beispiel in Bezug auf Farbigkeit und Glanz, wieder zu erzeugen?

Was waren Kernpunkte der Diskussion?
Die Berliner Denkmalpflege ist dafür, das heutige Aussehen der Holzeinbauten als Ergebnis der Nutzung zu erhalten. Die Gegenposition dazu lautet, dass die Veränderungen der Oberflächen keine Patina, sondern ein Schadensbild darstellen, das man beheben sollte. Daran anknüpfend muss man fragen, wie weit der Schaden behoben werden soll: bis auf den Ursprungszustand oder bis zu irgendeinem Zwischenzustand? Der originale Farbton der Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie könnte gut rekonstruiert werden, insbesondere anhand von einigen völlig unbelichteten Flächen im Innenraum. Doch dieser dunkle Ton soll, so das Ergebnis der langen Diskussion, nicht wiederhergestellt werden. Stattdessen entschied man sich für einen mittleren Ton, der zwar noch die Ausstrahlung der Brauneiche hat, aber etwas verblichen ist und dem heutigen Zustand der innenliegenden Holzeinbauten entspricht. Lediglich die durch Sonneneinstrahlung extrem stark verblichenen außenliegenden Flächen der Garderobe sollen daran angeglichen werden.

Brauneiche im Direktionsbereich. Foto: schmedding.vonmarlin.
Brauneiche im Direktionsbereich. Foto: schmedding.vonmarlin.

Mies van der Rohe verwendete aufgrund seiner Erfahrungen in Amerika für alle furnierten Oberflächen in der Neuen Nationalgalerie Brauneiche. Diese ist vorwiegend im englischsprachigen Raum unter dem Namen Brown Oak verbreitet. Wurde das Material für den Berliner Bau eigens importiert?

Ja, vollkommen richtig, Brauneiche wird hauptsächlich im englischsprachigen Raum verwendet. In England werden Eichenstämme mit einem bestimmten Pilz infiziert, der diese Braunfärbung erzeugt. Dann wird das Holz zu Furnier geschnitten. Soweit ich weiß wurde das in Mitteleuropa nie gemacht. Das heißt die Brauneiche für die Neue Nationalgalerie wurde tatsächlich importiert. Auch heute noch ist das Holz erhältlich. Ich habe für die Muster einen ganzen Stapel Furnier bei einem Händler erworben. Gemäß der noch im Archiv des Museum of Modern Art erhaltenen bauzeitlichen Rezeptur für die Brauneichenbeschichtung haben wir neu furnierte Platten mit Leinölfirnis behandelt. Die Ausstrahlung dieser neuen Oberfläche auf den Musterplatten ist den unverblichenen Partien verblüffend ähnlich, ja nahezu identisch. Dieses Ergebnis zeigt, dass der Farbton der verschatteten Oberflächen dem Originalfarbton entspricht. So haben sie es damals erzeugt und so sieht es auch heute noch an wenigen, versteckten Stellen aus.

Verblichene Brauneiche der Garderobe. Foto: schmedding.vonmarlin.
Verblichene Brauneiche der Garderobe. Foto: schmedding.vonmarlin.

Welches restauratorische Verfahren schlagen Sie für die Holzoberflächen in der Neuen Nationalgalerie vor und wie sind Sie zu diesem Ergebnis gekommen?
Wir haben in drei Etappen gearbeitet. Bei der ersten Etappe ging es um die Frage, ob man den Originalfarbton erzeugen kann. Dafür konnten wir nicht am Original arbeiten, die Flächen wären gegebenenfalls irreversibel verändert worden. Deshalb haben wir normale europäische Eiche in dem Farbton der verblichenen Paneele verwendet und darauf experimentiert. Das geht mit Wasserbeize, scheidet aber aus, weil das Verfahren nicht lichtstabil ist. Das heißt, man hätte zwar den Farbton gefunden, doch weil der nicht lichtstabil ist, wäre nichts gewonnen. Weiterhin in Frage kommen chemische Beizen wie Ammoniak oder Kaliumpermanganat, wobei nur letzteres einen überzeugenden Farbton hervorgebracht hat, wohlgemerkt auf europäischer Eiche. Je nach Mischungsverhältnis mit Wasser sind feinste Farbabstufungen möglich. Der Vorteil dieser Art des Beizens ist die Lichtbeständigkeit sowie die Möglichkeit, einen Leinölfirnis aufzutragen und damit eine nahezu originale Oberfläche zu erreichen. Nach diesem zunächst zufriedenstellenden Ergebnis kam die Frage, ob die Methode reversibel ist.

Farbmuster am Tresen. Foto: schmedding.vonmarlin.
Farbmuster am Tresen. Foto: schmedding.vonmarlin.

Was ist damit gemeint?
Reversibel ist einer der Hauptbegriffe in der Denkmalpflege. Es geht darum, ob ein Verfahren zurückgenommen werden kann oder unwiederbringlich in den Zustand des Originalmaterials eingreift. Chemische Beize ist nicht reversibel, weil die Stoffe chemisch in das Holz eingreifen und es dauerhaft verändern. Der nächste Schritt wäre ja gewesen, den Versuch auf einer Originalfläche zu wiederholen. Da das Verfahren aber die Originalflächen irreversibel verändert hätte, kam es nicht zur Anwendung.

Originalfarbton der Brauneiche. Foto: schmedding.vonmarlin.
Originalfarbton der Brauneiche. Foto: schmedding.vonmarlin.

Wie ging es weiter?
In der zweiten Etappe haben wir nach einer reversiblen Holzbehandlung gesucht. Das geht mit Schellack, also Harzlack, hat aber den Nachteil, dass es die Oberfläche verändert, weil ursprünglich kein Schellack aufgetragen worden ist. Allerdings lässt sich der Auftrag so steuern, dass kaum Unterschiede zur Ölbehandlung zu erkennen sind. Mit Schellack haben wir neue Musterplatten behandelt, indem wir unterschiedliche farbstabile Pigmente hinzugefügt haben. Dafür eignen sich Erden wie Umbra oder Terra di Sienna, wobei sich durch unterschiedliche Mischungsverhältnisse unterschiedliche Farbtöne erzeugen lassen. Bei der Präsentation überzeugten die Farbtöne, die Oberflächen, die Möglichkeit einer zusätzlichen Behandlung mit Öl sowie die Reversibilität, weil der Harzlack jederzeit mit Alkohol wieder abgelöst werden kann. In der dritten Etappe ging es um die Erprobung des Verfahrens auf einer originalen Holzfläche am Tresen. Zunächst haben wir die Oberflächen gereinigt und dann Schellack in unterschiedlichen Farbtönen aufgetragen, von denen einer für die Restaurierung der Brauneiche in der Neuen Nationalgalerie ausgewählt wurde. Bei der Rezeptur haben wir nach Möglichkeit mit einem Farbpigment und nicht mit Mischungen gearbeitet. Die Erfahrung zeigt: Je simpler die Mischung, desto einfacher die Verarbeitung.

Wolfgang Dambacher in seiner Werkstatt. Foto: schmedding.vonmarlin.
Wolfgang Dambacher in seiner Werkstatt. Foto: schmedding.vonmarlin.

Text und Bilder: schmedding.vonmarlin.


Zehnerpack: 10 Mode-Ikonen des 20. Jahrhunderts

$
0
0

Das Kunstgewerbemuseum am Kulturforum hütet Schätze aus mehreren Jahrhunderten Design und Kunsthandwerk – dazu gehört auch eine hochkarätige Sammlung von Mode von Barock bis H&M. Wir zeigen euch zehn Mode-Ikonen des 20. Jahrhunderts!

1. Ein Sommerkostüm mit Keulenärmeln
USA/Europa um 1895
Ein Sommerkostüm mit Keulenärmeln, USA/Europa um 1895 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen und ihre generelle Präsenz im öffentlichen Leben beförderte um die Jahrhundertwende die Entwicklung des Kostüms als adäquate Tageskleidung. Hier zeigt es sich als sommerliches Kostüm aus kühlem Leinen, ganz im Sinne des Jugendstil gestaltet, mit geschwungenen Nähten in kurviger Linienführung.

2. Das Abendkleid „Delphos“
Mariano Fortuny, Italien um 1920
Abendkleid „Delphos“, Mariano Fortuny, Italien um 1920 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Fünf gerade Bahnen fein plissierter Seide sind das Material dieses antik anmutenden Gewandes, geschaffen von dem spanischen Maler, Fotografen, Chemiker und Physiker Mariano Fortuny (1871-1949). Seine Methode, Seide dauerhaft zu plissieren, ließ er sich 1909 patentieren und produzierte daraus diese „Delphos“ genannten Roben in allen Farbstellungen bis in die frühen 1940er Jahre.

3. Das Tanzkleid „Sorrente“
Jeanne Lanvin, Paris 1927/28
Tanzkleid „Sorrente“, Jeanne Lanvin, Paris 1927/28 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Das Kleid aus zartem Seidenvoile hat tiefe Dekolletés und Armausschnitte mit schmalen Schulterträgern. Ab Ausschnitthöhe ist es mit lose flatternden, nach unten größer werdenden fächerförmigen „Blättern“ besetzt. Diese sind mit größer werdenden, strahlend blauen Pailletten bestickt. Kräftiges Blau mit einer leichten Mauvetönung zählte zu den Lieblingsfarben von Jeanne Lanvin.

4. Ein Kleid mit Zackenmotiv
Coco Chanel, Paris 1925/26
Kleid mit Zackenmotiv Coco Chanel, Paris 1925/26 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Virtuos wurde hier die glänzende und matte Wirkung von Vorder- und Rückseite des reinseidenen „Crêpe Satin“ ausgenutzt um einen expressionistischen Zackendekor zu realisieren. Mit diesen eleganten, doch zugleich alltagstauglichen Kleidern verhalf Coco Chanel (1883-1971) dem Typus des „Kleinen Schwarzen“ zu einem bis heute andauerndem Erfolg.

5. Ein Abendkleid mit Sicherheitsnadeln
Gianni Versace, Italien 1994
Abendkleid mit Sicherheitsnadeln Gianni Versace, Italien 1994 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Gianni Versace (1946-1997) hat in diesem figurbetonten Kleid im Säulenschnitt die klassische Form mit modernsten Materialien und Zitaten der Punkmode kombiniert. Von seiner großen Kennerschaft der Stoffherstellung und -veredelung zeugt die Verwendung des schweren, kunstseidenen Doppelgewebes, ein Cloqué in Knitteroptik. Die Seitennähte sind nach vorn verlegt und werden, ebenso wie der nabeltiefe Ausschnitt, von dreizehn übergroßen gold- und silberfarbenen Sicherheitsnadeln zusammengehalten.

6. Ein Abendkleid mit schwarzem Spitzenbesatz
Cristóbal Balenciaga, Paris um 1949
Abendkleid mit schwarzem Spitzenbesatz Cristóbal Balenciaga, Paris um 1949 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Der spanische Modeschöpfer Cristóbal Balenciaga (1895-1972) ließ sich von Velázquez‘ Gemälde Las Meninas zu diesem Prinzesskleid im Infanta-Stil anregen. Eine asymmetrisch gesetzte Spitzenkante betont die vertikale Linie von Korsage und Rock aus sanft schimmerndem Seidensatin.

7. Ein Mantelkleid im Stil des “New Look”
Christian Dior, Paris 1948

Mantelkleid im Stil des "New Look" Christian Dior, Paris 1948 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Das einteilige Mantelkleid mit schmaler Taille über betonten Hüften und weit schwingendem Rock verdeutlicht die 1947 von Christian Dior (1905-1957) lancierte und heute als New Look bezeichnete Modelinie. Sie revolutionierte die Nachkriegsmode und steht für eine Rückkehr zu Weiblichkeit, Luxus und Opulenz.

8. Das zweiteilige Cocktailkleid „New York“
Yves Saint Laurent für Christian Dior, Paris 1958
Cocktailkleid „New York“ Yves Saint Laurent für Christian Dior, Paris 1958 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Mit nur 21 Jahren übernahm Yves Saint Laurent (1936-2008) nach dem plötzlichen Tod von Christian Dior im Herbst 1957 die künstlerische Leitung des berühmten Couture Hauses. Mit der von ihm im Februar 1958 präsentierten Trapezlinie gelang es ihm, die Kontinuität des weltbekannten Couturehauses zu wahren. Das zweiteilige Cocktailkleid verdeutlicht die lose, die Taille negierende Linie und kombiniert ein schlichtes und kastiges Oberteil mit einem ausgestellten Rock.

9. Ein Blaues Kostüm mit Bluse
Coco Chanel, Paris um 1965
Blaues Kostüm mit Bluse Coco Chanel, Paris um 1965 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

1954 eröffnete Coco Chanel mit 71 Jahren ihr seit 1939 geschlossenes Modehaus erneut. Insbesondere die amerikanische Modepresse beurteilte die von Chanel vorgestellten Kostüme sehr positiv und feierte die ungezwungene Art, sich elegant zu kleiden. Das knieumspielende Kostüm des Kunstgewerbemuseums hat alle Details, die ein typisches Chanelkostüm kennzeichnen: eine leicht taillierte Jacke mit vier aufgesetzten Taschen sowie Kragen und Revers, die einen tiefen V-Ausschnitt bilden. Er gibt den Blick auf die Bluse in frischen, passenden Farben frei.

10. Das Cocktailkleid „Rib Cage“
Pierre Cardin, Paris 1969
Cocktailkleid „Rib Cage“ Pierre Cardin, Paris 1969 © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Für Pierre Cardin (1922) waren die Unendlichkeit des Universums und die mikroskopisch kleine Welt einer Zelle, Computer und Geometrie die Quellen seiner Inspiration. Er entwarf Kleider für die Welt von morgen. Auch dieses, den Körper lose umspielende, taillierte Kleid in Prinzesslinie mit einer auffälligen plastischen Edelstahlapplikation als Zierde, dokumentiert Cardins Interesse an technischen Innovationen.

Noch mehr Mode gibt es derzeit in der Ausstellung “uli richter revisited” im Kunstgewerbemuseum.

Text: Christine Waidenschlager

Fotos: © Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin / Stephan Klonk

Das Ethnologische Museum zieht um: Vorbereitung der Südsee-Ahnenpfähle

$
0
0
Restauratorin Leonie Gärtner im Ethnologischen Museum. Foto: Staatliche Museen zu Berlin
Restauratorin Leonie Gärtner im Ethnologischen Museum. Foto: Staatliche Museen zu Berlin

Der Umzug des Ethnologischen Museums von Dahlem ins Humboldt Forum ist in vollem Gange. Erst kürzlich wurden sieben große Ahnenpfähle aus West-Neuguinea im Dahlemer Depot abgebaut und für die Restaurierung vorbereitet worden. Die Restauratorin Leonie Gärtner begleitet den gesamten Prozess.

Um was für Objekte handelt es sich?
Leonie Gärtner: Die bis zu sieben Meter hohen Pfähle stammen von den Ethnien der Kamoro und der Asmat. Sie sind aus Mangrovenholz geschnitzt, mit schwarzen, weißen und roten Pigmenten bemalt und mit Federn und Quasten aus Palmblatt verziert. Die Pfähle wurden für bestimmte Feste und Zeremonien zu Tod, Wachstum und Fruchtbarkeit hergestellt. Die geschnitzten Figuren stellen angesehene Verstorbene dar. In den Zeremonien wurden die guten Eigenschaften der Toten gepriesen und die Verstorbenen wurden schrittweise in das Reich der Toten verabschiedet. Nach der Zeremonie wurden die Pfähle traditioneller Weise in die Haine der Sagopalmen gebracht, wo die Figuren zerstört und die Pfähle der Verrottung preisgegeben wurden, damit ihre innewohnende Kraft das Wachstum der Palmen fördert.

Wie lange lagen die Pfähle im Depot?
Die beiden Ahnenpfähle der Kamoro kamen erst 2001 ins Museum und wurden seither im Depot aufbewahrt. Aber zwei der Ahnenpfählen der Asmat waren bereits in der Dauerausstellung Südsee und Australien des Ethnologischen Museums zu sehen. Die übrigen kamen 1995 ins Museum und waren damals auch gleich in einer Sonderausstellung zu sehen. Danach wurden sie im Depot eingelagert.

Mit vereinten Kräften werden die Ahnenpfähle eingepackt. Foto: Staatliche Museen zu Berlin
Mit vereinten Kräften werden die Ahnenpfähle eingepackt. Foto: Staatliche Museen zu Berlin

Was passiert nun mit den Objekten?
Die Ahnenpfähle sollen im Humboldt Forum ausgestellt werden. Bevor dies geschehen kann, müssen sie aber noch restauratorisch bearbeitet werden. Dazu wurden sie jetzt aus dem Depot in den Raum der ehemaligen Dauerausstellung Südsee gebracht. Nur dieser Raum ist groß genug, um die Restaurierung durchzuführen.

Wie läuft die restauratorische Arbeit ab?
Bis ein Team aus freiberuflichen Restauratoren Mitte 2017 damit beginnt, die Objekte zu bearbeiten, lagern sie staubgeschützt in einem eigens angefertigten Regal. Die Restauratoren werden bei allen Ahnenpfählen die Oberfläche reinigen, die matte, schwach gebundene Bemalung festigen und die brüchigen Pflanzenfasern sichern. Anschließend werden die Ahnenpfähle einzeln von einer Kunstspedition für den Transport verpackt. In der Verpackung werden sie dann noch einer Stickstoffbehandlung unterzogen, damit jegliche holzzerstörende Insekten getötet werden, die eventuell noch in ihnen verborgen leben. Ab April 2018 erfolgt dann der Transport der Ahnenpfähle zum Humboldt Forum.

Teils über sieben Meter hoch sind die Ahnenpfähle - logistisch eine Herausforderung. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Anna Mosig
Teils über sieben Meter hoch sind die Ahnenpfähle – logistisch eine Herausforderung. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Anna Mosig

Was ist für einen Restaurator das Besondere an den Pfählen?
Die Einbringung der Ahnenpfähle in das Humboldt Forum stellt eine Herausforderung dar, da alle Großobjekte erst durch das Hauptportal in die Eingangshalle geschafft und dann mit großen Gerüsten und Kranen in den ersten Stock gehoben werden müssen. Dort werden sie dann durch eine Öffnung in der Wand an ihren eigentlichen Ausstellungsort gebracht. Hier wird einerseits die logistische Planung des Transports und der Einbringung, andererseits auch die technische Durchführung sehr spannend. Auch wenn wir schon eine gewisse Erfahrung mit dem Kranen von großen Booten gemacht haben, ist es in dieser Größenordnung immer noch etwas Besonderes.

In welchem Zusammenhang werden die Objekte im Humboldt Forum ausgestellt?
Die Ahnenpfähle werden im Kubus „Häuser“ zu sehen sein. Hier werden verschiedene Beispiele aus der Architektur Ozeaniens und ihre gesellschaftliche Bedeutung gezeigt, darunter auch die schon in Dahlem präsentierten Abelamgiebel und das Männer-Klubhaus von Palau. Zusätzlich werden wir noch ein Prunkhäuschen aus Palau und das Innere eines Abelamhauses zeigen, die bisher noch nicht zu sehen waren. Alle diese Großobjekte gruppieren sich um einen meeting point, der auch für Veranstaltungen genutzt werden wird.

Die Ahnenpfähle aus der Südsee lagern nun vorübergehend im ehemaligen Ausstellungsraum des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia Obrocki
Die Ahnenpfähle aus der Südsee lagern nun vorübergehend im ehemaligen Ausstellungsraum des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia Obrocki
Die Ahnenpfähle aus der Südsee lagern nun vorübergehend im ehemaligen Ausstellungsraum des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia Obrocki
Die Ahnenpfähle aus der Südsee lagern nun vorübergehend im ehemaligen Ausstellungsraum des Ethnologischen Museums. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia Obrocki

Was macht eigentlich … Frank Marohn, Museologe und Depotverwalter am Ägyptischen Museum

$
0
0
Frank Marohn, Depotverwalter und Museologe am Ägyptischen Museum und Papyrussammlung. (c) Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Frank Marohn, Depotverwalter und Museologe am Ägyptischen Museum und Papyrussammlung. (c) Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Bei den Staatlichen Museen zu Berlin arbeiten täglich hunderte MitarbeiterInnen daran, den Betrieb zu managen und tolle Projekte auf die Beine zu stellen. Hier schauen wir Frank Marohn, Museologe und Depotverwalter am Ägyptischen Museum und Papyrussammlung über die Schulter.

Frank, du bist bereits seit vielen Jahren beim Ägyptischen Museum, wolltest du denn schon immer im Museum arbeiten?
Eigentlich war es mein Kindheitstraum, im Ägyptischen Museum zu arbeiten. Da ich aber in der DDR nicht die Chance hatte Ägyptologie zu studieren, musste ich diesen Traum vorerst aufgeben. Ich wurde zunächst Nachrichtentechniker bei der Deutschen Reichsbahn. Unverhofft ergab sich 1988 die Chance, mich als „Depotverwalter für die Gemälde des 19. Jahrhunderts“ an der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zu bewerben. Die Bewerbung war erfolgreich und ich studierte danach Museologie in Berlin und Leipzig. 1991 konnte ich mich schließlich auf eine Stelle als „Depotverwalter am Ägyptischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin“ bewerben – mein Kindheitstraum wurde war. Manche Wege sind nicht immer geradlinig, aber gerade deshalb interessant. Man sollte nie seine Träume aufgeben, denn es kann sein, dass sie plötzlich wahrhaftig werden.

Woran arbeitest du gerade?
Neben der digitalen Standortverwaltung, der Betreuung von Gastwissenschaftlern sowie der Sichtung, Verpackung, Organisation und Bereitstellung von Objekten für den nationalen- und internationalen Leihverkehr, schreibe ich gerade an einem Aufsatztext über einen Gipsabguss Ramses II. aus unserer Sammlung. Dessen Original aus Granitmaterial ist im Ägyptischen Museum Turin zu sehen. Das Buch, in dem dieser Aufsatz erscheinen soll, beschäftigt sich speziell mit der Ausstellungsgestaltung der Ägyptischen Sammlung im Neuen Museum durch den Ägyptologen Richard Lepsius.

Wie sieht dein Berufsalltag aus?
Hauptsächlich habe ich mit der Betreuung der etwa 37.000 Objekte des Ägyptischen Museums zu tun. Diese werden aufgrund der Klimaanforderungen in verschiedenen Depots nach Material getrennt aufbewahrt. Bedingt durch die Geschichte der Sammlung, ist seit dem letzten Weltkrieg und der 41 Jahre dauernden Trennung Deutschlands eine grundlegende Revision der Objekte bis heute noch nicht abgeschlossen. Alles muss in einem Datenbanksystem erfasst und fotografisch dokumentiert werden. Die Zusammenarbeit mit Restauratoren und Wissenschaftlern ist dabei ein wesentlicher Bestandteil meiner täglichen Arbeit. Dazu kommen Planungen für neue Depots, die modern, effektiv und zukunftsweisend sein sollen.

Was magst du am meisten an deinem Beruf?
Die vielfältigen Möglichkeiten, mit ägyptischen archäologischen Objekten umzugehen, aber auch mit Menschen zusammenarbeiten zu können.

Und was am wenigsten?
Unzuverlässigkeit und den teils enormen Zeitdruck bei vielen Tätigkeiten.

Im Verlauf der Zeit hast du die Sammlung an verschiedenen Standorten betreut: Hat dir ein Standort für deine „Schützlinge“ besonders gut gefallen?
Ich mochte besonders die Unterbringung der Objekte im Untergeschoss des Pergamonmuseums. Da sich mein Büro im Südflügel des Gebäudes befand, war die Nähe zu den Objekten bei verschiedenen Fragestellungen und Tätigkeiten, besonders bei der Betreuung von Gastwissenschaftlern, praktisch. Durch die 2012 beginnende Sanierung des Pergamonmuseums mussten die Depotbestände des Ägyptischen Museums komplett ausziehen und sind nun an mehreren Orten in Berlin verteilt. Dabei wurden beispielsweise über 3.000 Steinobjekte, teils tonnenschwer, mithilfe einer Kunsttransportfirma bewegt.

Die Arbeit eines Depotverwalters ist sehr vielseitig und umfangreich. Kommt der Museologe in dir dabei oft zu kurz?
Die Vielfalt der Aufgaben innerhalb der Verwaltung und Organisation der Depots lässt wirklich wenig Zeit, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die mir selbst am Herzen liegen und die durch das Studium der Museologie vertieft wurden. Ich interessiere mich unter anderem sehr für die Geschichte der Gipsabguss-Sammlung des Ägyptischen Museums.

Hast du ein Lieblingsobjekt oder eine Lieblingsobjektgruppe?
Viele Objekte sind mir inzwischen ans Herz gewachsen, vor allem Kulturgeschichtlich interessante Stücke der Ägyptischen Sammlung. Dazu gehört zum Beispiel eine aus vergoldetem Stuck bestehende Mumienmaske eines Mannes aus dem Grab der Aline, die bemalte Kalksteinstele eines biertrinkenden Syrers aus der Amarna-Zeit oder ein derzeit im Depot befindliches Kosmetikkästchen aus Holz mit kleinen Behältern für Augenschminke. Eine Objektgruppe, die ich gerne einmal in der Ausstellung des Neuen Museums sehen würde, sind die Uschebtis. Von diesen besitzt das Ägyptische Museum circa 1.600 Objekte aus verschiedenen Materialien wie Holz, Fayence, Stein oder gebranntem Ton. Auch die Objektgruppe der etwa 80 Kanopengefäße aus Kalzit-Alabaster, Kalkstein, gebranntem Ton, Fayence und Holz wäre es wert, einmal in einer Ausstellung gezeigt zu werden.

Würdest du gerne einmal eine Zeitreise in eine längst vergangene Epoche Ägyptens unternehmen? Wenn ja, in welche und was würde dich besonders interessieren?
Es würde mich reizen, in die Zeit von Nofretete und Echnaton oder von Kleopatra zu reisen, um zu sehen, ob die heutige Wissenschaft mit ihren Thesen Recht hat oder nicht.

Was ist das kurioseste oder aufregendste Erlebnis, das du mit deinem Job verbindest?
Aufregend ist es, manchmal aufgrund meiner visuellen Erinnerung Fragmente von Objekten im Depot zu finden, die seit Jahrzehnten unerkannt und teils mit neuer Inventarnummer versehen dort lagern. Mal war es ein Stück einer Kalksteinstele, ein anderes Mal ein Fragment einer Terrakottafigur oder ein Stück eines Holzsarges, ferner Fragmente von Uschebtis, die ich wieder zusammenführen konnte. Das sind die „kleinen Ausgrabungen“ im Depot, die Glücksmomente für mich darstellen.

Letzte Frage: Was würdest du nachts allein im Museum tun?
Schlafen wahrscheinlich und von Königen und Königinnen des Alten Ägyptens träumen.

Foto: David von Becker

Graue Eminenz. Granitplatten in der Neuen Nationalgalerie

$
0
0
Mitarbeiter der Firma Gebauer Steinmetz bei der Demontage der Granitplatten. Foto: BBR/ProDenkmal
Mitarbeiter der Firma Gebauer Steinmetz bei der Demontage der Granitplatten. Foto: BBR/ProDenkmal

Die Neue Nationalgalerie wird gemeinhin als ein Gebäude aus Glas und Stahl wahrgenommen – doch die größten Flächen des Museums sind von einem Naturstein geprägt: dem grauen Granit. Beeindruckende 14.000 Granitplatten wurden in und um die Neue Nationalgalerie verbaut. Constanze von Marlin hat sich das Material vor Ort näher angesehen.

Im Zuge der Demontage aller erhaltenswerter Materialien in der Neuen Nationalgalerie wurden auch die Granitplatten auf der Terrasse, am Sockel, im Skulpturengarten, in der oberen Ausstellungshalle und im Untergeschoss abgebaut. Der Berliner Firma Gebauer Steinmetzarbeiten kam dabei die Mammutaufgabe zu, alle im Museum verwendeten Natursteine zu kartieren, katalogisieren, demontieren und bis zur Wiederverwendung einzulagern. Mit Hilfe der genauen Kartierung, die die Lage und Ausrichtung jedes einzelnen der 14.000 Werkstücke dokumentiert, kann nach der Sanierung jede Platte wieder an ihrem Originalplatz eingesetzt werden.

Die Terrasse ohne Plattenbelag. Foto: schmedding.vonmarlin.;
Die Terrasse ohne Plattenbelag. Foto: schmedding.vonmarlin.;

Manfred Gebauer weiß genau, worauf es bei der Demontage der Natursteine ankommt. Er war in den 1960er Jahren als Steintechniker bei der Berliner Firma Paul Becker beschäftigt, die den Naturstein der Boden- und Fassadenplatten in der Neuen Nationalgalerie verlegt hatte. Ganz lebhaft erinnert er sich an Mies van der Rohes fundierte Kenntnisse über Natursteine, die er sich als Sohn eines Steinmetzes in Aachen angeeignet hatte.

Mitarbeiter der Firma Gebauer Steinmetz bei der Demontage der Granitplatten. Foto: BBR/ProDenkmal
Mitarbeiter der Firma Gebauer Steinmetz bei der Demontage der Granitplatten. Foto: BBR/ProDenkmal

Eigenes Werkzeug für den Granit
Seit der Gründung seiner eigenen Firma liegt Gebauer besonders die Vorbereitung und Durchführung außergewöhnlicher Aufträge am Herzen, die viel Könnerschaft erfordern. Die Projektleitung beim Bauvorhaben in der Neuen Nationalgalerie für die Firma Gebauer liegt bei Manuela Figaschewsky. Sie ist stolz, dass beim Ausbau fast nichts kaputt gegangen ist. „Besonders schwierig war der Ausbau der großen Granitplatten aus dem Zementverbund”, erklärt sie, “unser Meister hat für den ersten Versuch, eine Platte anzuheben, das Werkzeug eigens zugearbeitet – und hatte mit seiner Vorgehensweise gleich Erfolg.“

Ständer für den Transport und die Lagerung der Granitplatten. Foto: schmedding.vonmarlin.;
Ständer für den Transport und die Lagerung der Granitplatten. Foto: schmedding.vonmarlin.;
Demontage der Granitplatten im Skulpturengarten. Foto: schmedding.vonmarlin.
Demontage der Granitplatten im Skulpturengarten. Foto: schmedding.vonmarlin.

Kennzeichnend für die Oberfläche des Bodens aus Striegauer Granitplatten in der Ausstellungshalle ist der sehr feine Schliff, der die blassgelbe Steinfarbigkeit des mittelkörnigen Granits mit deutlich sichtbaren Ausrostungsräumen zur Geltung bringt. Als „Striegauer Granit“ werden Granite bezeichnet, die in zahlreichen Granitsteinbrüchen nahe der niederschlesischen Stadt Striegau (polnisch Strzegom) gebrochen werden.

Striegauer Qualität
Herkunft und Bruch der Originalsteine der Neuen Nationalgalerie konnten bislang nicht ermittelt werden, doch ein Vergleich neuer Striegauer Granite mit dem Bestandsmaterial zeigt eine vollkommene Übereinstimmung im Gefüge, der Mineralkomposition, der Mineralfarbe und der ungerichteten Textur. Die Bodenplatten der Ausstellungshalle sind in einem sehr guten Erhaltungszustand. Es sind durchweg keine schwerwiegenden Schäden festzustellen. Die graue Fußbodenoberfläche im Innern setzt sich jenseits der Glasfassade auf der Terrasse weiter fort.

Der Terrassenbelag besteht ebenfalls aus Striegauer Granitplatten, deren Erhaltungszustand jedoch nicht so gut ist wie bei den Steinen des Innenraumes. Seit einer Sanierungsmaßnahme in den 1980er Jahren waren die Platten auf grobem Flusskies gebettet. Aufgrund dieser neuen Bettungsart sind während der Nutzung zahlreiche Durchbrüche, Abbrüche und Risse entstanden, da die Bettung unter starker Belastung nachgab und die Platten danach nur noch punktuell auf dem Kiesbett auflagen. Zahlreiche Platten wurden seit dieser Zeit bereits aufgrund von schweren Schäden und daraus folgender Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ausgetauscht.

Der Terrassenbelag vor und nach der Demontage. Foto: BBR/ProDenkmal;
Der Terrassenbelag vor und nach der Demontage. Foto: BBR/ProDenkmal;

Umfassende Reparaturen
Zu den von ProDenkmal durchgeführten Maßnahmen für die Restaurierung des Naturwerksteins im Außenbereich gehört die Reinigung, Entfernung von Fremdmaterialien, Klebung oder Nadelung gebrochener Steinelemente, Rissinjektionen, die Ergänzung von Fehlstellen durch Steinersatzmasse und im schlimmsten Fall ein kompletter Austausch des Steines.

Vier Sitzbänke aus Granit stehen im Skulpturengarten. Der mittelkörnige Stein hat eine gelbliche, leicht rötliche Farbe mit deutlich auffallenden rostig-roten Feldspäten. Es ist durchaus möglich, dass dieser Granit, wie in den Bauakten vermerkt, aus einem Epprechtsteiner Bruch stammt, denn auch bei den Platten im Untergeschoss des Museums handelt es sich um Epprechtsteiner Granit, verlegt von der Firma Zeidler & Wimmel.

Granitplatten bereit für den Abtransport ins Lager. Foto: schmedding.vonmarlin.;
Granitplatten bereit für den Abtransport ins Lager. Foto: schmedding.vonmarlin.;

Ein präzises Raster
Bezüglich des Erscheinungsbildes gleichen die Sitzbänke aber stärker den im Waldsteingebiet verbreiteten, blass-rosafarbenen Varietäten. Die Steinoberfläche ist sehr fein geschliffen. Die Maße aus der Ausführungsplanung von Mies van der Rohe entsprechen den am Bestand genommenen Maßen. Im Zuge der Demontagearbeiten wurden die Bänke bereits eingelagert. Bis auf Schmutz- und Krustenauflagen sind keine weiteren Schäden festzustellen, daher werden lediglich die Oberflächen gereinigt, um das bauzeitliche Erscheinungsbild wieder herzustellen.

Auf die Frage nach der Besonderheit des Naturwerksteins in der Neuen Nationalgalerie antworten Manfred Gebauer und Manuela Figaschewsky nicht etwa mit Hinweisen auf die besondere Qualität der Steine. „Das Schöne am Museum ist die Ausrichtung auf das Achsensystem und das zugrunde liegende Raster von 120 mal 120 Zentimetern“, sagt Figaschewsky und der Steintechniker ergänzt: „Wie präzise sich die Plattengröße in das markante Raster und die Gesamtproportionen des Gebäudes einfügt, lässt sich gut an der von Mies van der Rohe festgelegten Größe der Granitplatten erklären. Die Kantenlänge beträgt nur 119,4 Zentimeter, damit die Fuge genau in der Mitte auf 120 Zentimetern liegt.“

Text: schmedding.vonmarlin.

Behind the Scenes: Ein Museum zieht um

$
0
0

Das Ethnologische Museum zieht von Dahlem ins Humboldt Forum. Unsere reihe “Behind the Scenes” zeigt, wie es derzeit im Museum aussieht und wie Direktorin Viola König und ihre MitarbeiterInnen Schritt für Schritt die Mammutaufgabe des Museums-Umzugs stemmen.

Video: Bboxx

Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Was macht eigentlich … Kristina Mösl, Restauratorin in der Alten Nationalgalerie

$
0
0
Restauratorin Kristina Mösl in der Alten Nationalgalerie während der dreijährigen Restaurierung von Caspar David Friedrichs Gemälden „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Juliane Eirich
Restauratorin Kristina Mösl in der Alten Nationalgalerie während der dreijährigen Restaurierung von Caspar David Friedrichs Gemälden „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Juliane Eirich

Bei den Staatlichen Museen zu Berlin arbeiten täglich hunderte MitarbeiterInnen daran, den Betrieb zu managen und tolle Projekte auf die Beine zu stellen. Hier schauen wir ihnen über die Schulter. Dieses Mal: Kristina Mösl, Restauratorin in der Alten Nationalgalerie.

Woran arbeiten Sie gerade?
Nach unserem großen, dreijährigen Forschungs- und Restaurierungsprojekt zu Caspar David Friedrichs Werken „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ arbeite ich nun an der Vorbereitung der Ausstellung „Kleine Meisterwerke“ mit über 100 klein- und kleinstformatigen Gemälden. Ein sehr, sehr reizvoller Kontrast.

Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?
Bunt. Von Alltag kann man nicht wirklich sprechen. Jeden Tag kommen die unterschiedlichsten Themen auf: von wissenschaftlichen Anfragen aus dem In- und Ausland bis zu klimatechnischen Fragen im Haus. Von high bis low ist alles dabei und bildet die Untermalung der eigenen Tagesplanung für die längerfristigen restauratorischen Projekte.

Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Genau dieses. Die Kombination aus Geistes-, Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Und was am wenigsten?
Tja, manchmal auch genau dieses.

Was ist das kurioseste oder aufregendste Erlebnis, das Sie mit Ihrem Job verbinden?
Aufregend ist und bleibt die ganz enge, physische und damit auch geistige Nähe zum Original, die nur dieser Beruf bietet. Kuriose Situationen gibt es im Job darüber hinaus zur Genüge, zum Beispiel der Mitflug im Cockpit eines Frachtflugzeugs im Rahmen von Kurierfahrten. Während der Beschleunigung beim Start denkt man dann kurz: Augen auf bei der Berufswahl, und findet auch das großartig.

Letzte Frage: Was würden Sie nachts allein im Museum tun?
Ganz ehrlich: Diese Situation ist fast Alltag für mich. An ausgestellten Werken der Sammlung arbeiten wir ausschließlich außerhalb der Schließzeiten. Da ist es für mich fast prickelnder, mich während der Öffnungszeiten einmal im eigenen Haus unter den Publikumsverkehr zu mischen und die Sammlung mit den Augen eines Besuchers zu genießen.

Titelbild: Staatliche Museen zu Berlin, Juliane Eirich

Wilhelm von Bode – Kunsthistoriker und Sammler aus Leidenschaft

$
0
0
Max Liebermann: Wilhelm Bode (1904). Copyright: bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Max Liebermann: Wilhelm Bode (1904). Copyright: bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Mit unermüdlichem Einsatz erwarb Wilhelm von Bode um die Jahrhundertwende zahlreiche Kunstschätze, gründete neue Sammlungsbereiche und entwickelte neue Formen der musealen Präsentation. Die Staatlichen Museen zu Berlin verdanken ihm ihren Platz unter den großen Sammlungen von Weltrang.

Als der gebürtige Arnold Wilhelm Bode 1864 sein Jurastudium in Braunschweig begann, ahnte noch niemand, welchen großen Einfluss er auf die Berliner Kunstlandschaft und das moderne Museumswesen nehmen würde. Dem Willen seines Vaters entsprechend, hatte er seinen Herzenswunsch, Kunsthistoriker zu werden, aus Sorge vor finanzieller Unsicherheit zunächst aufgegeben. Doch schon während seines Referendariats unternahm der junge Bode zahlreiche Studienreisen zu ausländischen Museen und studierte schließlich von 1869-1870 doch noch Kunstgeschichte und Archäologie in Berlin und Wien.

Seine Karriere bei den Staatlichen Museen zu Berlin – damals Königliche Museen zu Berlin – trat er 1872 als Assistent in der Skulpturenabteilung an, zu deren Direktor er 1883 ernannt wurde. 1890 übernahm er zudem die Leitung der Gemäldegalerie und 1905 schließlich auch das Amt des Generaldirektors. Während dieser langjährigen Tätigkeit erhob er die Königlichen Museen zu Sammlungen von internationalem Rang, indem er mit sicherem Gespür und großer Kennerschaft unzählige Meisterwerke erwarb.

Wilhelm Bode in seinem Wohnhaus (1884). Copyright: bpk / Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Wilhelm Bode in seinem Wohnhaus (1884). Copyright: bpk / Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Spektakuläre Erwerbungen
So widmete er sich in der Skulpturenabteilung unter anderem dem Erwerb von äußerst hochkarätigen Werken der italienischen und mittelalterlichen deutschen Skulptur, während er den Bestand der Gemäldegalerie zu einer herausragenden Sammlung von seltener Vollständigkeit und höchstem künstlerischen Rang erweiterte. Auch anderen Abteilungen verhalf er zu bedeutenden Neuerwerbungen und gründete darüber hinaus verschiedene neue Sammlungsbereiche, wie beispielsweise die ostasiatische und die islamische Abteilung.

Bei diesen kostspieligen und oft auch spektakulären Erwerbungen kam Bodes diplomatisches Geschick zum Tragen, das ihm internationale Kontakte zu Sammlern, Stiftern und Mäzenen verschaffte. Zu ihnen zählte auch Kaiser Wilhelm I., dessen wohlwollende Unterstützung ihm nicht nur finanzielle Mittel bot, sondern auch wertvolle Kontakte ermöglichte.

Wilhelm von Bode (sitzend) mit Aloys Hauser (links) und Max Friedländer in der Gemäldegalerie im Alten Museum (um 1900). Copyright: bpk / Zentralarchiv, Staatliche Museen zu Berlin
Wilhelm von Bode (sitzend) mit Aloys Hauser (links) und Max Friedländer in der Gemäldegalerie im Alten Museum (um 1900). Copyright: bpk / Zentralarchiv, Staatliche Museen zu Berlin

Bedeutende Museumsbauten
Zudem gründete Wilhelm von Bode 1897 den „Kaiser Friedrich-Museums-Verein“, dem wohlhabende Bürger wie James Simon, Friedrich Alfred Krupp und August von der Heydt beitraten und der schnelles und unbürokratisches Agieren erlaubte, wenn ein bedeutendes Werk auf dem Kunstmarkt auftauchte und erworben werden sollte.

Kaiser-Friedrich-Museum, Saal 34 - Italienische Bildwerke in Ton und Stuck (um 1920). Copyright: bpk / Zentralarchiv, Staatliche Museen zu Berlin
Kaiser-Friedrich-Museum, Saal 34 – Italienische Bildwerke in Ton und Stuck (um 1920). Copyright: bpk / Zentralarchiv, Staatliche Museen zu Berlin

Angesichts des wachsenden Umfangs der Sammlungen setzte Bode schließlich unter langwierigen Bemühungen den Bau des Kaiser Friedrich-Museums (heutiges Bode-Museum), des Pergamonmuseums und des Museumszentrums in Berlin-Dahlem durch. Besonders am Herzen lag ihm das Kaiser Friedrich-Museum, dessen Eröffnung am 18. Oktober 1904, dem 73. Geburtstag des Kaisers, einen Höhepunkt in Bodes Karriere darstellte.

„Bismarck der Berliner Museen“
Hier realisierte er eine Form der Präsentation, bei der Skulpturen, Gemälde, Möbel und kunstgewerbliche Objekte gemeinsam in sogenannten Stilräumen ausgestellt wurden, die unter anderem durch originale Decken, Portale oder Kamine den ursprünglichen Ausstellungskontexten nachempfunden waren. Dieses museumspädagogische Konzept fand große Nachfolge.

Max Liebermann: Wilhelm Bode (1904). Copyright: bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Max Liebermann: Wilhelm Bode (1904). Copyright: bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Wilhelm von Bodes Tätigkeit für die Staatlichen Museen zu Berlin war somit von großer Tragweite und brachte ihm nicht nur 1914 den Adelstitel ein, sondern auch im Volksmund die Spitznamen „Bismarck der Berliner Museen“ und „Museums-Condottiere“. Erst 1920 ging er in Ruhestand, leitete jedoch weiterhin bis zu seinem Tod 1929 kommissarisch die von ihm betreuten Sammlungen.

Text: Claire Guinomet


Palau-Haus im Ethnologischen Museum: Die Dachabdecker kommen

$
0
0
Abdeckung des Dachs des Palau-Haus im Ethnologischen Museum. Foto: SPK / Stefan Müchler
Abdeckung des Dachs des Palau-Haus im Ethnologischen Museum. Foto: SPK / Stefan Müchler

Der Umzug des Ethnologischen Museums ins Humboldt Forum geht voran. Zuletzt wurde das komplette Dach des großen Palau-Hauses abgedeckt, das in der Mitte der Südsee-Abteilung stand und jetzt den Weg nach Mitte antritt. Restauratorin Leonie Gärtner betreut den Prozess.

Der Umzug des Ethnologischen Museums ins Humboldt Forum geht voran – zuletzt wurde das komplette Dach des Palau-Hauses abgedeckt. Wie ist dieses Dach konstruiert und woraus bestand die Dachdeckung?
Leonie Gärtner: Das Haus ist aus über 245 Einzelteilen aufgebaut, die ursprünglich ohne Nägel oder Verleimung, nur durch die Verzapfung der Einzelteile miteinander verbunden waren. Der Dachstuhl des Berliner Palau-Hauses wurde für die Ausstellung 1970 originalgetreu rekonstruiert, für die Befestigung der Sparren und Balken wurde Kokosfaserschnur verwendet.
Die Dachdeckung besteht aus Dachdeckelementen, die in den 1960er Jahren in Ozeanien vorgefertigt wurden. Für diese wurden die Blätter der Pandanuspalme um einen Stab gelegt und festgenäht. Diese Dachdeckelemente wurden dann, vergleichbar mit Dachziegeln oder Schindeln, zum Decken des Dachs übereinander gelegt und am Dachstuhl festgebunden.

Das halb abgedeckte Palau Haus im Ethnologischen Museum. Foto: SPK / Stefan Müchler
Das halb abgedeckte Palau Haus im Ethnologischen Museum. Foto: SPK / Stefan Müchler

Werden die Palmenblätter im Humboldt Forum wiederverwendet oder wird das Dach neu gedeckt?
Die Palmblätter sind nach über 40 Jahren in der Ausstellung gealtert und stark versprödet. Zudem wurden sie mit einem Brandschutzmittel behandelt, was dazu geführt hat, dass der Staub sehr fest an der Oberfläche klebt. Die Palmblätter lassen sich nicht mehr reinigen, und auch nicht ohne Beschädigung abnehmen und wieder anbringen. Daher werden sie für die Ausstellung im Humboldt Forum nicht wiederverwendet.
Das Museum ist im Kontakt mit Personen vor Ort in Ozeanien und klärt zurzeit, ob es möglich ist, die Dachdeckelemente von Männern aus Palau herstellen und das Dach im Humboldt Forum auch von Ihnen decken zu lassen.

Die alten Dach_Elemente des Palau Hauses werden entsorgt. Foto: SPK / Stefan Müchler
Die alten Dach_Elemente des Palau Hauses werden entsorgt. Foto: SPK / Stefan Müchler

In welchen weiteren Schritten wird der Umzug des Palau-Hauses ablaufen?
Jetzt gerade erfolgt die Dokumentation des Hauses und es werden Pläne gezeichnet, damit das Haus im Humboldt Forum wieder korrekt aufgebaut werden kann. Als nächstes werden die vorkragenden beschnitzten Giebelbretter abgenommen. Dann wird das Haus nach und nach vom First aus nach unten abgebaut. Alle Einzelteile werden gereinigt und die fragile Bemalung wird gefestigt. Danach werden alle Teile für den Umzug verpackt. Im Humboldt Forum wird das Haus dann wieder aufgebaut und erhält zum Schluss seine neue Dachdeckung aus Palmblatt.

Was ist dabei die größte Herausforderung für Sie als Restauratorin?
Das Projekt läuft über eine sehr lange Zeit – inklusive vorbereitender Arbeiten über vier Jahre –, man braucht also einen langen Atem. Außerdem sind sehr viele unterschiedliche Akteure zu koordinieren, wie die freiberuflichen Restauratoren, Kunstspeditionen, unsere Kontaktpersonen in Palau, Dachdecker und Museumstechniker, damit das Haus am Ende im Humboldt Forum wieder in seiner ganzen Pracht präsentiert werden kann.

Abdeckung des Dachs des Palau-Haus im Ethnologischen Museum. Foto: SPK / Stefan Müchler
Abdeckung des Dachs des Palau-Haus im Ethnologischen Museum. Foto: SPK / Stefan Müchler

Hochspannung im Museum. Die Stromversorgung in der Neuen Nationalgalerie

$
0
0
Foto: BBR / Thomas Bruns
Foto: BBR / Thomas Bruns

Die Neue Nationalgalerie ist eine Energiezentrale. Über die dort eingebaute Mittelspannungsstation werden das gesamte Kulturforum und die Staatsbibliothek mit Strom versorgt. Unsere Redakteurin Constanze von Marlin hat sich diesem Thema einmal näher gewidmet.

Die Bedeutung der Mittelspannungsstation in der Neuen Nationalgalerie liegt auf der Hand: für den Betrieb aller Institutionen am Kulturform ist eine dauerhaft sichere Stromversorgung notwendig. Bislang befand sich diese Starkstrom-Zentrale im Untergeschoss des Hauses.

Polizeieskorte und Schwertransporter
In Zukunft soll sie jedoch zwar ebenfalls unterirdisch, aber aus Sicherheitsgründen außerhalb des Mies-Baus angelegt werden. Wegen der Sanierung der Stahlbetonstruktur und der Neuorganisation der Raumnutzungen ist ein Rückbau der technisch veralteten Station zwingend erforderlich.

In einer nächtlichen Aktion wird die neue Mittelspannungsanlage für die Neue Nationalgalerie angeliefert. Foto: BBR / Thomas Bruns
In einer nächtlichen Aktion wird die neue Mittelspannungsanlage für die Neue Nationalgalerie angeliefert. Foto: BBR / Thomas Bruns

In der Nacht vom 14. auf den 15. Februar 2017 wurde von einem Schwertransporter in Begleitung einer Polizeieskorte ein Fertigteilbau aus Beton angeliefert, in den zuvor eine neue technische Anlage zur Stromverteilung – die Interimsstation – eingebaut wurde.

Zwei 10.000-Volt-Kabel
Damit die 44 Tonnen schwere Interimsstation mittels eines Krans auf dem Gehweg an der Süd-Ost-Ecke des Museums abgeladen werden konnte, wurde nachts die Potsdamer Straße einseitig für einige Stunden gesperrt. Im März und April findet dann der Umschluss der Stromversorgung auf die temporäre Station statt – bei 10.000 Volt ein kompliziertes und aufwendiges Verfahren, das eine detaillierte Abstimmung des Prozesses erforderlich macht.

Wegen der notwendigen Versorgungssicherheit ist die Mittelspannungsanlage mit zwei 10.000-Volt-Kabeln an das Berliner Stromnetz angeschlossen, sollte ein Kabel ausfallen, kann die Stromversorgung immer noch über die zweite Leitung laufen. Genauso ist es auch für die Interimsstation geplant.

Foto: BBR / Thomas Bruns
Foto: BBR / Thomas Bruns

Stromversorgung fürs gesamte Kulturforum
Um den Weiterbetrieb der angeschlossenen Institutionen und den Baustrom für die Neue Nationalgalerie zu sichern, werden beide Kabel schrittweise umgeschwenkt. Zunächst wird also erst ein Kabel angeschlossen. Wegen der Prüfung und Überwachung der Schutztechnik dauert es drei bis vier Wochen, um die Interimsstation in Betrieb zu nehmen und im Anschluss auch das zweite Kabel zu verbinden.

Nach der Fertigstellung des Depotneubaus der Neuen Nationalgalerie wird die Station ein zweites Mal versetzt, voraussichtlich in 2018. In dem neu erstellten elektrischen Betriebsraum des Anbaus im Untergeschoss des Museums wird die Mittelspannungsanlage als endgültige, neue Station in zwei Teilabschnitten installiert, damit die Stromversorgung jederzeit mindestens über ein Kabel gesichert ist.

In einer nächtlichen Aktion wird die neue Mittelspannungsanlage für die Neue Nationalgalerie angeliefert. Foto: BBR / Thomas Bruns
In einer nächtlichen Aktion wird die neue Mittelspannungsanlage für die Neue Nationalgalerie angeliefert. Foto: BBR / Thomas Bruns

Text: schmedding.vonmarlin.

Giuseppe Passalacqua – Vom Pferdehändler zum Ägyptenforscher

$
0
0
Die drei Särge des Mentuhotep. Kolorierte Originalzeichnung von G. Passalacqua © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv
Die drei Särge des Mentuhotep. Kolorierte Originalzeichnung von G. Passalacqua © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv

Giuseppe Passalacqua, ein verkannter Gründervater des Neuen Museums, wäre am Sonntag 220 Jahre alt geworden. Christina Hanus, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ägyptischen Museum und Papyrussammlung, über ein Leben im Zeichen der Ägyptenforschung.

Der Versuch, sich ein Bild von Giuseppe Passalacquas zu machen, scheitert zunächst am Fehlen eines tatsächlichen Porträts von ihm. Wo von berühmten Ägyptologen wie Carl Richard Lepsius, Georg Ebers oder Adolf Erman zahlreiche Bildnisse existieren, läuft die Suche bei Passalacqua ins Leere. Von diesen Schwierigkeiten sollte sich jedoch niemand abhalten lassen, denn seine Person verdient durchaus Aufmerksamkeit als einer der frühen Gründerväter des Neuen Museums und Förderer der Ägypten-Forschung in Deutschland.

Vom Pferdehändler zum Spezialisten
Giuseppe Caspar Ludwig Passalacqua, mitunter auch eingedeutscht als Joseph Passalacqua erwähnt, erblickte als Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie am 26. Februar 1797 in Triest das Licht der Welt. Den ersten Kontakt mit dem Land der Pharaonen hatte der Italiener als 23-jähriger Unternehmer: 1820 reiste er nach Ägypten, um dort Pferdehandel zu betreiben.

Funde im Grab des Mentuhotep in Theben. Im Jahr 1823 entdeckt und ausgegraben durch Passalacqua. Kolorierte Originalzeichnung von G. Passalacqua © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv
Funde im Grab des Mentuhotep in Theben. Im Jahr 1823 entdeckt und ausgegraben durch Passalacqua. Kolorierte Originalzeichnung von G. Passalacqua
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv

Da der große Erfolg bei diesem Vorhaben ausblieb, widmete er sich dem Handel mit altägyptischen Artefakten, der sich in Ägypten bereits ausbreitete. Er erwarb eine Grabungslizenz sowie eine Ausfuhrgenehmigung für alle von ihm ausgegrabenen oder erworbenen Altertümer und entwickelte sich rasch zum Spezialisten. Seine Sammlung wuchs kontinuierlich an und er vertiefte sich mit persönlichem Interesse intensiv in das Alte Ägypten.

In den Jahren 1822 bis 1825 ließ Passalacqua Ausgrabungen unter anderem in der Nekropole Asasif von Theben-West durchführen, wo am 4. Dezember 1823 das Schachtgrab des Pharaos Mentuhotep aus dem Mittleren Reich freigelegt wurde. Mit größter Sorgfalt und Akkuratesse nahm er die Funde auf, beschrieb ausführlich das Aussehen und den Zustand der Objekte, bevor sie aus dem Grab geborgen wurden. Die zeichnerische Dokumentation in Form von Aquarellen erweist sich heutzutage aufgrund ihrer Detailliertheit als großer Schatz. Viele Objekte, die durch den Zweiten Weltkrieg verloren gingen, stark beschädigt oder komplett zerstört wurden, sind ausschließlich durch die Aquarelle für die Wissenschaft erhalten geblieben.

Bootsmodell aus dem Grab des Mentuhotep (Mittleres Reich, 2119 v. Chr. bis 1794 v. Chr., Theben-West © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / M. Büsing
Bootsmodell aus dem Grab des Mentuhotep (Mittleres Reich, 2119 v. Chr. bis 1794 v. Chr., Theben-West) © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / M. Büsing

Letzte Rettung durch einen prominenten Kunstliebhaber
Giuseppe Passalacqua ließ seine Sammlung von rund 1.600 Objekten über Triest nach Paris bringen, wo sie 1826 in der Galerie d’Antiquités Égyptiennes, Passage Vivienne no. 52, erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden. In seinem Ausstellungskonzept ordnete er die kulturhistorisch bedeutenden Artefakte thematisch an und ergänzte die Informationen auf den Beschriftungsschildern in der Galerie durch seinen selbst erstellten Katalog der Funde. In diesem Catalogue raisonné et historique des antiquités découvertes en Egypte boten exakte archäologische Beschreibungen und naturwissenschaftliche Bewertungen eine neuartige umfassende Bearbeitung.

Passalacquas Versuch, seine ägyptischen Artefakte dem französischen Staat zu verkaufen, scheiterte. Es wurden zu dieser Zeit einige konkurrierende Sammlungen ägyptischer Altertümer auf dem Kunstmarkt angeboten, gegen die Passalacqua sich behaupten musste. Um weiterhin im Gespräch zu bleiben und möglichst große öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen, zögerte er nicht, Mumien aus seinem Konvolut sogar für öffentliche Untersuchungen an der Sorbonne zur Verfügung zu stellen.

Die drei Särge des Mentuhotep. Kolorierte Originalzeichnung von G. Passalacqua  © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv
Die drei Särge des Mentuhotep. Kolorierte Originalzeichnung von G. Passalacqua
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv

Um zu verhindern, dass seine Sammlung durch eine drohende Auktion auseinandergerissen wurde, wandte sich Giuseppe Passalacqua in einem Brief an einen prominenten kunstinteressierten Besucher seiner Ausstellung in der Galerie Vivienne: Den preußischen König Friedrich Wilhelm III. Ihm bot Passalacqua die komplette Sammlung zum Kauf an, was letztlich von Erfolg gekrönt war. Am 19. April 1827 wurde der Kaufvertrag geschlossen, durch den Passalacqua seine Sammlung für 100.000 Francs an König Friedrich Wilhelm III. übereignete – weit weniger als er für das Gesamtkonvolut ursprünglich veranschlagt hatte.

Museumsdirektor in Preußen
Weiterhin wurde vereinbart, dass Passalacqua persönlich bei den Verpackungsarbeiten in Paris und dem Auspacken der Objekte in Berlin zugegen sein sollte, um alle Tätigkeiten zu überwachen. Am 15. Juli 1827 erfolgte der Transport der Sammlung in Richtung Preußen. König Friedrich Wilhelm III. beauftragte Passalacqua, die Aufstellung der Objekte im Schloss Monbijou nach demselben thematischen Konzept vorzunehmen, das Passalacqua bereits in der Pariser Galerie Vivienne angewandt hatte. In Berlin angekommen, wurden die Objekte mit den bereits von Preußen angekauften Sammlungen Minutoli, Koller und Bartholdy vereinigt.

Doch nicht nur die ägyptischen Artefakte fanden in Berlin eine neue Heimat. Giuseppe Passalacqua wurde am 7. Juli 1828 unbefristet zum „Aufseher der ägyptischen Sammlung“ ernannt, mit einem Jahresgehalt von 1000 Talern inklusive einer Zulage von 600 Talern. Damit genoss er auch das Privileg, zum ersten Direktor des heutigen Ägyptischen Museums und Papyrussammlung ernannt zu werden. Rund 37 Jahre leitete Giuseppe Passalacqua die ägyptische Sammlung Berlins – länger als alle anderen Direktoren, die ihm nachfolgten.

Kästchen mit Verzierungen (Neues Reich, 18.–19. Dynastie, 1550 v. Chr. bis 1186 v. Chr., Theben-West © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß
Kästchen mit Verzierungen (Neues Reich, 18.–19. Dynastie, 1550 v. Chr. bis 1186 v. Chr., Theben-West) © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß

In seiner Amtszeit widmete er sich mit großem Eifer der Pflege und Bewahrung der Bestände sowie der wissenschaftlichen Erschließung, indem er einen ausführlichen Gesamtkatalog erstellte. Früh erkannte er die Platzprobleme des damaligen Ausstellungsortes, der dem steten Ankauf weiterer Sammlungen schon bald nicht mehr genügte, und wies beharrlich seine Vorgesetzten darauf hin, dass ein neuer Museumsbau für die inzwischen rund 6.000 Objekte vonnöten sei.

“Dem schönen Berlin eine neue Zierde”
Daraufhin erhielt Passalacqua die Möglichkeit, ein eigenes Konzept für einen Museumsneubau zu erarbeiten, welches Beleuchtung, Farbgebung, Innendekoration wie auch Transportmöglichkeiten und Sicherheit thematisierte. Der blühenden Ägyptomanie entsprechend, die in Europa Einzug gehalten hatte, sah Passalacqua ein Gebäude mit ägyptisierenden Elementen vor.

Auch die Dekoration der Räume sollte auf die in ihnen ausgestellten Objekte Bezug nehmen, ohne sie jedoch mit frischen, kräftigen Farben zu überstrahlen und damit in den Hintergrund zu drängen. Passalacqua empfahl, einen starken Fokus auf die Strahlkraft der originalen Artefakte zu legen und bat den damaligen Generaldirektor von Olfers darum, seine Entwürfe dem König vorzulegen. Persönlich finanziert und hochwertig gedruckt, legte Passalacqua seinen Entwurf 1843 vor.

Mittlerer Sarg des Mentuhotep (Mittleres Reich, 2119 v. Chr. bis 1794 v. Chr., Theben-West © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß
Mittlerer Sarg des Mentuhotep (Mittleres Reich, 2119 v. Chr. bis 1794 v. Chr., Theben-West) © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß

In seinen Ausführungen betont er: „Ich wage zu glauben und zu behaupten, daß Eure Exzellenz in diesem Falle dem schönen Berlin eine neue Zierde verschaffen werde, wie sie keine andere Hauptstadt Europas in diesem Maße aufzuweisen hat.“ Eine Realisierung seiner Entwürfe sollte jedoch nie erfolgen. Ab dem Jahr 1855 wurde Passalacqua ein Mitdirektor zugeteilt: Carl Richard Lepsius – gelehrter Ägyptologe und beliebt bei Hofe –, der letztlich seine ganz eigenen, abweichenden Vorstellungen hinsichtlich eines adäquaten Museumsbaus, Innendekoration und Aufstellung der Altertümer durchsetzte.

Zwischen Büro und Salon
Seine persönlichen Studien setzte Passalacqua auch als Direktor weiter fort. Fasziniert vom Alten Ägypten und seiner Schrift eignete er sich sogar ein begrenztes Wissen der Hieroglyphen an und führte die Berliner Papyri, die sich zu der Zeit noch in der Königlichen Bibliothek befanden, zurück in die Ägyptische Sammlung, wo sie ab 1835 im eigens eingerichteten Papyrussaal präsentiert wurden.

Statuette des Mentuhotep (Mittleres Reich, 2119 v. Chr. bis 1794 v. Chr., Theben-West© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß
Statuette des Mentuhotep (Mittleres Reich, 2119 v. Chr. bis 1794 v. Chr., Theben-West) © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / S. Steiß

Obgleich Passalacqua ein reiches und erfülltes Arbeitsleben pflegte, indem er sich um die sukzessiven Ankäufe weiterer ergänzender Sammlungskonvolute kümmerte und die stete Verbesserung und Anpassung der Objektaufstellung vornahm, kannten Zeitgenossen wie der Berliner Ägyptologe und Sprachforscher Heinrich Brugsch, den Passalacqua bei seinen Forschungen maßgeblich unterstützte, ihn als offenen und kommunikativen Menschen, der seine freie Zeit in den Berliner Salons verbrachte oder mit Spaziergängen durch seine Wahlheimat. Auf dem Berliner St. Hedwig-Friedhof an der Liesenstraße wurde der am 18. April 1865 verstorbene Giuseppe Passalacqua schließlich zur letzten Ruhe gebettet.

Die Nachwelt, insbesondere die wissenschaftliche Ägyptologie, neigte lange dazu, in Giuseppe Passalacqua lediglich einen geschäftstüchtigen, enthusiastischen Autodidakten zu sehen. Das Neue Museum verdankt jedoch der Hingabe und Beharrlichkeit gerade dieses ersten Direktors seine Existenz auf der Museumsinsel sowie seine unvergleichliche Objektvielfalt, die bereits 1842 zu einem Besuchermagnet wurde (rund 13.200 Besucher!) und auch weiterhin eine Stätte der Kunst, Kultur und der Begegnung bleiben wird.

Passalacquas Entwurfszeichnung für die Innenausstattung des Neuen Museums von 1841 © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv
Passalacquas Entwurfszeichnung für die Innenausstattung des Neuen Museums von 1841
© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Dokumentenarchiv

Neue Nationalgalerie historisch: “Museum als Panoptikum”

$
0
0

In der 60er Jahren war die frisch eröffnete Neue Nationalgalerie das Thema in Berlin. Diese historischen Fotos und Auszüge aus zeitgenössischen Zeitungsartikeln geben einen Eindruck von den Jugendjahren dieser Architektur-Ikone.

Jürgen Beckelmann, Eigentlich unmöglich, doch ideal, in: Frankfurter Rundschau, 17.9.1968
„Dieses Museum besitzt keine Intimität. Es verhindert die gemütvolle Kunstbetrachtung, die Betrachtungsweise jener, die sich in ein Kunstwerk „versenken“ wollen, statt deutlich hinzusehen. Als Bauwerk von Mies van der Rohe (…) wurde die Neue Nationalgalerie nicht für die wenn auch große, so doch immer noch elitäre Clique der Kunstliebhaber, sondern für alle entworfen. Wer Lust hat, soll reingehen und sich ungeniert umsehen. Auch – und besonders – diejenigen, die sich bis jetzt aus Komplexen, die längst überwunden sein sollten, noch nie in ein Museum hineinwagten. Der „Bahnhofscharakter“ des Bauwerks und seine „öffentliche Atmosphäre“ sind dazu angetan, die falsche Ehrfurcht vor der Kunst überwinden zu helfen. Hier kann und soll kritische Auseinandersetzung stattfinden. Und schon deshalb ist das Museum, das auf den ersten Blick „ganz unmöglich“ erscheint, ein ideales Museum.“

Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie

Camilla Blechen, Im Schatten der Architektur. Die Neue Nationalgalerie Berlin in der Bewährungsprobe, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.1968, Nr. 272, S. 14
„Seit der Eröffnung der Neuen Nationalgalerie gibt es in Berlin ein kultur-soziologisches Phänomen zu bestaunen. Der Berliner, fanatisch im Theater- und Konzertbesuch, ließ die bildende Kunst bisher arg links liegen. Das Publikum für Ausstellungen war klein und exklusiv. Die Anziehungskraft der Neuen Nationalgalerie, die am Einweihungstage von 13 000, am drauffolgenden Wochenende von 18 000 Personen besucht wurde, könnte ein Anfang für eine Situationsänderung sein. (…) Das Museum (…) ist von der „breiten Öffentlichkeit“ begeistert akzeptiert worden. Man kommt mit der Urahne, und man kommt mit dem Baby auf dem Arm. Museum als Panoptikum, das liegt in der Luft, das hat die documenta bestätigt. Man mache sich nichts vor: bemalte Leinwand, ob ihre Epidermis aus Farbe nun die Ahs und die Ohs des Entzückens oder das mürrische Brummen der Ablehnung herausfordert, ist kein Gegenstand für eine ehrfürchtige Haltung mehr. Man kommt, zu fordern: Augenlust, emotionale Aufladung, auch Unterhaltung, Museum für alle. Museum als Ort der Vergesellschaftung von Kunst. Die APO mag ruhig ihr Sprüchlein vom „Museum als Instrument der Unterdrückung“ sagen; soziologisch ist die Institution in Hochform.“

Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie
Fotomappe Reinhard Friedrich, Neue Nationalgalerie

Beitrag: schmedding.vonmarlin.

Zehnerpack: Frühling in der Kunst

$
0
0
Ludwig Julius Christian Dettmann: Frühling im Grunewald, 1892 © bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Volker-H. Schneider

Auch wenn man es noch nicht merkt: Seit gestern ist offiziell Frühling! Wir haben eine kleine Auswahl von Frühlingslandschaften zusammengestellt, die ihr in unseren Sammlungen findet.

Paul Baum: Weiden am Bach, um 1900; © bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken
Paul Baum: Weiden am Bach, um 1900; © bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken
 Arnold Böcklin: Ackerfluren im Vorfrühling (unvollendet), 1884 ©  bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken
Arnold Böcklin: Ackerfluren im Vorfrühling (unvollendet), 1884 © bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken
Charles-François Daubigny: Frühlingslandschaft, 1862 ©  bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Charles-François Daubigny: Frühlingslandschaft, 1862 © bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
 Caspar David Friedrich: Der Frühling - Der Morgen - Die Kindheit, 1803 ©  bpk / Kupferstichkabinett, SMB
Caspar David Friedrich: Der Frühling – Der Morgen – Die Kindheit, 1803 © bpk / Kupferstichkabinett, SMB
Karl Buchholz: Frühling in Oberweimar, 1868 ©  bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
Karl Buchholz: Frühling in Oberweimar, 1868 © bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
 Anselm Feuerbach: Frühlingsbild, 1868 ©  bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
Anselm Feuerbach: Frühlingsbild, 1868 © bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
 Louis Lejeune: Bevor der Frühling kommt, vor 1915 ©  bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
Louis Lejeune: Bevor der Frühling kommt, vor 1915 © bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
 Ulrich Hübner: Landhaus in Travemünde, 1906 ©  bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
Ulrich Hübner: Landhaus in Travemünde, 1906 © bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
 Ludwig Julius Christian Dettmann:  Frühling im Grunewald, 1892 ©  bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Volker-H. Schneider
Ludwig Julius Christian Dettmann: Frühling im Grunewald, 1892 © bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Volker-H. Schneider
Martin Brandenburg: Tanz, 20. Jh. ©  bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Schneider
Martin Brandenburg: Tanz, 20. Jh. © bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Schneider

Kostbarer Stein an den Versorgungsschächten der Neuen Nationalgalerie

$
0
0
Foto: BBR / Thomas Bruns;
Foto: BBR / Thomas Bruns;

Ein Blickfang in der oberen Halle der Neuen Nationalgalerie sind die raumhohen Versorgungsschächte. Sie beeindrucken nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ihre Verkleidung mit grünem Marmor. Warum die Platten während der Bauarbeiten größtenteils vor Ort bleiben, erklärt Redakteurin Constanze von Marlin.

Das Interesse an Naturstein war für Ludwig Mies van der Rohe familiär begründet: Von 1887 bis 1900 erlernte der das Steinmetzhandwerk bei seinem Vater an der Aachener Dombauschule. In vielen seiner Bauten setzte Mies seine Kenntnis des Handwerks und seine besondere Wertschätzung für das Material ein, um spektakuläre Akzente zu setzten. Der legendäre Barcelona-Pavillon von 1929 sorgte nicht nur wegen seines „freien Grundrisses“ für Furore, sondern auch wegen der Wände aus kostbarsten Materialien wie goldenem Onyx doré und grünem Tinos Marmor.

Die Idee, Wände von ihrer Tragefunktion zu befreien, gilt als stilbildend für die moderne Architektur. Die tragenden Elemente des Pavillons sind die Außenwände und einige Stahlsäulen. Die Wände im Inneren haben demnach nur noch die Funktion von Raumteilern oder Flächen im Raum. Das von Mies entwickelte innovative Prinzip der freistehenden Wand ist unmittelbar mit der Idee verbunden, den wertvollen Stein in Szene zu setzen. Die Onyx-Wand kann nur durch ihre Platzierung als freistehendes Objekt in ihrer Schönheit voll zur Geltung kommen.

Die Versorgungsschächten in der oberen Halle der Neuen Nationalgalerie sind mit handverlesenen Platten aus grünem Tinos Marmor verkleidet. Foto: schmedding.vonmarlin.
Die Versorgungsschächten in der oberen Halle der Neuen Nationalgalerie sind mit handverlesenen Platten aus grünem Tinos Marmor verkleidet. Foto: schmedding.vonmarlin.

Keine Konkurrenz für die Kunst
In der stützenfreien oberen Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie befinden sich nur wenige Einbauten. Je zwei Treppenabgänge in Metall und Glas, Garderoben im warmen Farbton der Brauneiche und die mit griechischem Stein verkleideten, monumentalen Schächte gliedern den Raum.

„Mies wollte damit die Farbe Grün in die Halle bringen, die aber nicht so dominant sein sollte, als dass eine Konkurrenz für die ausgestellten Bilder entstünde“, sagt der damalige Projektleiter im Büro von Mies van der Rohe, Dirk Lohan. „Daher wurden die Platten lediglich stumpf geschliffen und nicht poliert, damit sie keine Reflexionen hervorrufen.“ Die Schächte sind mit drei Zentimeter starken Platten aus südägäischem, brekziösem Serpentinit (Handelsbezeichnung Tinos Marmor) verkleidet. Die Plattenbreite entspricht dem von Mies van der Rohe gewählten Rastermaß von 120 Zentimetern.

Während der Sanierung werden Teile der Verkleidung entfernt, um an die Versorgungsschächte zu gelangen. Die restlichen Abdeckungen werden vor Ort geschützt. Fotot: BBR / Thomas Bruns
Während der Sanierung werden Teile der Verkleidung entfernt, um an die Versorgungsschächte zu gelangen. Die restlichen Abdeckungen werden vor Ort geschützt. Fotot: BBR / Thomas Bruns

“Ein ausgesprochener Kenner von Steinarbeiten”
Lohan erinnert sich an die besonders sorgfältige Auswahl und Anordnung des Natursteins durch Mies: „Mein Großvater war ein ausgesprochener Kenner von Steinarbeiten und ich habe viel von ihm lernen können. In meinen Gesprächen mit ihm über die Verkleidung der Schächte sprachen wir über den Tinos Marmor, der uns natürlich bekannt war. Ich bin deswegen nach Italien gereist und habe dort die Blöcke mit der Absicht ausgesucht, möglichst wenig Maserung in den geschnittenen Platten zu erhalten. Mit der Firma für den Einbau des Marmors in Berlin habe ich vereinbart, dass die Platten nicht bookmatched, also von der Maserung spiegelbildlich eingebaut werden, sondern in einfacher Reihung. So entstehen keine symmetrischen, dekorativen Formbilder, sondern es wird nur eine langsame Veränderung der Maserung von Platte zu Platte sichtbar.“

Während der Sanierung werden Teile der Verkleidung entfernt, um an die Versorgungsschächte zu gelangen. Die restlichen Abdeckungen werden vor Ort geschützt. Fotot: BBR / Thomas Bruns
Während der Sanierung werden Teile der Verkleidung entfernt, um an die Versorgungsschächte zu gelangen. Die restlichen Abdeckungen werden vor Ort geschützt. Fotot: BBR / Thomas Bruns

Obwohl die aktuelle Grundinstandsetzung des Museums einen Rückbau bis auf den Rohbau erforderlich macht, bleiben die Schachtverkleidungen im Obergeschoss auf drei Seiten bestehen, denn jeder Eingriff birgt die Gefahr einer Beschädigung. Da jedoch der Stein gezielt ausgesucht wurde, wäre es schwer, die Platten zu ersetzen. „Um die Schächte im Zuge der Grundinstandsetzung mit modernen Haustechnikelementen zu bestücken, muss eine Seite der wertvollen und einzigartigen Verkleidung geöffnet werden“, erklärt Arne Maibohm vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. „Die anderen Flächen werden während der Bauzeit geschützt und nur gereinigt.“

Suche nach der Lücke
Ausgangspunkt für die notwendige Entfernung der Platten war die Kenntnis der bauzeitlichen Konstruktion. Die beiden Schächte sind dreiseitig geschlossene Stahlbetonkonstruktionen mit je einer Wand aus Mauerwerk, um zur Bauzeit eine Bestückung mit Lüftungskanälen sinnvoll im Bauablauf vornehmen zu können. Aus dem erhaltenen Plan A19 von Mies van der Rohe geht allerdings nicht hervor, auf welcher Seite die Ausmauerung vorgenommen wurde.

Aus diesem Grund wurden die Schachtwände mit einem Metalldetektor untersucht, der auf die stählerne Bewehrung im Beton reagiert. Die Fachleute fanden so heraus, dass die Ausmauerungen auf den Seiten zur Fassade hin, also beim Südschacht auf der Südseite und beim Nordschacht auf der Nordseite liegen.

Die Marmorplatten an den Versorgungsschächten in der oberen Halle der Neuen Nationalgalerie werden während der Sanierung zum Teil entfernt. Foto: BBR / Thomas Bruns;
Die Marmorplatten an den Versorgungsschächten in der oberen Halle der Neuen Nationalgalerie werden während der Sanierung zum Teil entfernt. Foto: BBR / Thomas Bruns;

Verschwindende Anker für mehr Eleganz
Außerdem wurde über die Metalldetektion die Lage der Anker festgestellt: In jeder Lagerfuge sind zwei Traganker, die die obere Platte tragen und die untere Platte in ihrer Lage halten. „Die Eleganz besteht darin“, so Manuela Figaschewsky von der Firma Gebauer Steinmetz, „dass die Edelstahlanker wegen der gewünschten, sehr geringen Fugenbreite im Stein verschwinden.“

Nach den Voruntersuchungen durch ProDenkmal entfernte die Firma Gebauer Teile der Vorhangfassaden aus den Natursteinplatten. Nachdem die erste Platte millimetergenau angehoben und der Anker durchschnitten worden war, wurden auch alle weiteren Natursteinplatten ohne Beschädigung entfernt. Dabei wurde die Lage und Ausrichtung der Marmorplatten genau dokumentiert. Wenn die notwendigen Arbeiten in den Schächten erledigt sind, werden die Platten an ihrem ursprünglichen Platz wieder eingesetzt, sodass keine Spur des Eingriffs mehr sichtbar ist.

Kurze Pause während der Sanierungsarbeiten. Foto: schmedding.vonmarlin.
Kurze Pause während der Sanierungsarbeiten. Foto: schmedding.vonmarlin.

Text: schmedding.vonmarlin.
Titelfoto: Thomas Bruns / BBR

Depotfund: Herrscher im Halbdunkel

$
0
0
Foto: SMB

Die Kolleginnen und Kollegen vom Ethnologischen Museum in Dahlem staunten nicht schlecht, als sie im Zuge des Wechsels ins Humboldt-Forum auch in vergessene Ecken ihrer Depots vordrangen. Was sie dort fanden, ist gelinde gesagt eine Sensation.

Derzeit werden sämtliche Objekte des Ethnologischen Museums für den Umzug vorbereitet – von den Highlights der Dauerausstellung bis zu den eingelagerten Artefakten. Dafür werden die Objekte gesichtet, katalogisiert und, falls nötig, mit speziellen restauratorischen Maßnahmen umzugsbereit gemacht. Bei einem routinemäßigen Gang durch ältere Bereiche des Depots im Keller des Museums machten die Restaurierungs-Fachleute nun eine Entdeckung, die sie so schnell nicht vergessen werden.

„Schon kurz nachdem wir in den Bereich C14 vorgedrungen waren, merkten wir, dass etwas nicht stimmte“, erinnert sich die Restauratorin Petra S. Die Forscher fanden seltsame Strukturen aus Holz, Metall und Textilien in den Gängen. „Als hätte jemand sich hier unten einen Unterschlupf gebaut“, so S. weiter. Auch die Ordnung der Objekte war völlig durcheinander, nichts war mehr an seinem Platz. So fanden sich etwa plötzlich unter den eingelagerten Auslegerbooten aus Ozeanien auch Einbäume aus Zentralafrika und zwischen den pazifischen Reliefmeißeln tauchten präkolumbische Dreschflegel auf. Als die Gruppe in der Nähe der madagassischen Kult-Kuppeln auf kleine Häufchen aus Knochen und Unrat traf, war ihnen klar, dass hier etwas Ungewöhnliches vorging.

Objekte werden für den Umzug ins Humboldt Forum vorbereitet. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer
Objekte werden für den Umzug ins Humboldt Forum vorbereitet. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Daniel Hofer

Schlechte Sichtverhältnisse, ungewöhnliche Geräusche
„Nachdem wir die Regalreihen 1-56x.A und .B passiert hatten, in denen ziselierte Objekte aus Äquatorialguinea und südsimbabwische Zargen lagern, hörten wir plötzlich seltsame Geräusche“, erinnert sich S.. Die Forscherin und ihre KollegInnen beschreiben die Laute als ein „eigentümliches Schnarren, das in regelmäßigen Abständen von hölzernem Klappern unterbrochen wurde.“ Die Ethnologen drangen weiter in die Flure vor, die in diesem Bereich des Depots in stetigem Halbdunkel liegen. „Die schlechten Sichtverhältnisse machten uns zu schaffen“, so S., „zudem wurden die beunruhigenden Geräusche lauter und es lag ein sonderbarer, staubig-würziger Geruch in der Luft.“

Als die Gruppe bei Sektion 68-B/AA 53 a um die Ecke bog, offenbarte sich ihnen plötzlich der Ursprung all der ungewöhnlichen Phänomene hier im Depot: Ein älterer Mann saß im Schneidersitz vor ihnen auf dem Boden und arbeitete an mehreren patinierten Holzobjekten.

“Große Teile der Geschichte neu schreiben”
„Wir waren völlig baff“, reminisziert S., „und wussten zunächst nicht, was zu tun ist.“ Der Mann, so erinnert sie sich weiter, trug einen altmodischen weißen Kittel, zerschlissene Gummihandschuhe und – soweit es in dem von schulterlangen grau-weißen Haaren und leicht verwachsenem Vollbart gerahmten Gesicht zu erkennen war – eine Brille mit Kassengestell. „Was mir sofort auffiel, war der Kugelschreiber in der Brusttasche“, schildert S. weiter. „Ich konnte ihn spontan auf die zweite Hälfte der 1970er Jahre datieren.“
Der geheimnisvolle Depotbewohner schaute die Museumsfachleute überrascht an und erhob sich. „Die tartarischen Schöpfkellen sind fertig“, sagte er, und weiter: „Meine Damen und Herren, wir werden große Teile der Geschichte neu schreiben müssen!“

Nachdem die Fachleute ihren „Depotfund“ ans Tageslicht gebracht hatten, stellte sich bei einem Kaffee in der Dahlemer Museumsgastronomie „eßkultur“ heraus, dass es sich um den vor 39 Jahren verschwundenen Mitarbeiter Dr. Manfred B. handelt. B. hatte nach einer Spätschicht im Mai 1978 nicht wie üblich seine Zeitkarte gestempelt. Die Verwaltung war infolgedessen dazu übergegangen, die Arbeitsstunden außerhalb der Dienstzeiten einfach als Überstunden zu verbuchen – bei seinen Kolleginnen und Kollegen galt B. seit dem schicksalhaften Tag im Mai als krankgeschrieben. Doch wie war es dazu gekommen, dass B. so lange verschwunden war?

Mit Mumien durch die Achtziger
„Wir hatten damals eine Einstands-Inventur der neu eingerichteten Depotbereiche C14 bis AR300-x78-C gemacht“, berichtete B., „dabei haben die Kollegen mich bei Schließung des Depots schlicht vergessen. Seit dem Tag kam dann niemand mehr herunter und ich musste mich bis auf weiteres vor Ort einrichten.“ B. verbrachte die folgenden Jahre im stetigen Halbdunkel des Depots. Er ernährte sich von organischen Materialien, wobei er stets darauf achtete, nach Möglichkeit keine für die Wissenschaft relevanten Objekte zu verzehren. Das gelang freilich nicht immer.

Das Ethnologischen Museum beherbergt Objekte aus aller Welt - unter anderem diese Südsee-Ahnenpfähle. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia Obrocki
Das Ethnologischen Museum beherbergt Objekte aus aller Welt – unter anderem diese Südsee-Ahnenpfähle. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Claudia Obrocki

„Die Mumien aus Mittelamerika brachten mich fast durch die gesamten Achtziger Jahre“, erinnert sich B., „zum Glück waren sie hinlänglich wissenschaftlich dokumentiert, sodass sich der Schaden in Grenzen hielt.” Während der gesamten Zeit im Depot beschäftigte sich B. weiterhin mit der Katalogisierung und Systematisierung der Sammlung, so dass die heutigen KollegInnen sich von ihm einige nützliche Informationen erhoffen. „Gerade mit Blick auf den bevorstehenden Umzug ins Humboldt-Forum werden die Typologien von Herrn Dr. B. bei der vollständigen Erfassung und Bestimmung unserer Sammlung von unschätzbarem Wert sein“, so Restauratorin Petra S.

Und so geht eine bemerkenswerte Anekdote in der Geschichte der Dahlemer Museen zu Ende und bringt die Fachleute einen gehörigen Schritt nach vorn auf ihrem Weg ins Stadtzentrum. Manfred B. hat derweil begonnen, seine knapp 162.240 Überstunden abzubauen und sich einige Tage freigenommen. Er will eine Rundreise durch die neuen Bundesländer machen. Pünktlich zum Abbau der Boote im Südsee-Bereich des Ethnologischen Museums wird B. aber wieder in Dahlem sein und seine Arbeit als Restaurator aufnehmen – es gibt schließlich viel zu tun.


Alles im Raster. Demontage der Deckengitter in der Neuen Nationalgalerie

$
0
0

Unsere Redakteurin Constanze von Marlin war in der Neuen Nationalgalerie, als die Deckengitter in der Ausstellungshalle abgenommen wurden. Sie sind Bestandteil der offenen Deckenkonstruktion. Dieses innovative technisch-ästhetische Gestaltungselement setzte Mies van der Rohe erstmals im Berliner Museumsbau ein.

Text: schmedding.vonmarlin.

Für die Demontage der Deckengitter in der oberen Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie sind vier Wochen eingeplant. In die insgesamt 196 Deckenfelder des Dachtragwerks aus Stahl sind die Gitter eingepasst. Jedes hat eine Größe von fast drei auf drei Metern, lediglich rund um die Versorgungsschächte weichen die Maße davon ab.

Die Aufhängung erfolgt über Spannschlösser mit Drahtseilen und Karabinerhacken an der Dachkonstruktion. Die Spannschlösser sind an den Aussteifungsrippen mit eingeschraubten Ösen an der Decke befestigt. In die Zwischenräume der Hängegitter sind je vier Leuchten eingehängt.

Die lackierten Aluminium-Hängegitter haben ein Gewicht von rund 150 bis 200 Kilogramm, schätzt ein Arbeiter vor Ort, der mit drei Kollegen ein Gitter auf die vorgesehenen Holzpaletten für den Transport hebt. Der Umgang mit den Deckengittern muss sorgfältig erfolgen, die pulverbeschichtete Oberfläche ist sehr druckanfällig.

Drei bis vier Gitter werden auf einer Holzpalette für den Transport verpackt und in Großbeeren eingelagert. Die noch vor Ort codierten Deckengitter werden inventarisiert, ihr Schadensbild kartiert und vor der Wiederaufhängung gereinigt und falls notwendig retuschiert.

Um die Treppenabgänge muss ein eigenes Gerüst aufgebaut werden, um die Deckengitter abzunehmen. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Um die Treppenabgänge muss ein eigenes Gerüst aufgebaut werden, um die Deckengitter abzunehmen. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Zur Demontage der Deckengitter wurde ein Rollgerüst mit einer Laufkatze und einem Flaschenzug errichtet. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Zur Demontage der Deckengitter wurde ein Rollgerüst mit einer Laufkatze und einem Flaschenzug errichtet. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Das Deckengitter wird vorsichtig auf die Palette gehoben. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Das Deckengitter wird vorsichtig auf die Palette gehoben. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Aufhängung der Deckengitter mit Spannschloss und Drahtseil Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Aufhängung der Deckengitter mit Spannschloss und Drahtseil Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Deckengitter vor der Demontage. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Deckengitter vor der Demontage. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Denkmalgerechter Umgang mit den bauzeitlichen Deckengittern. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.
Denkmalgerechter Umgang mit den bauzeitlichen Deckengittern. Foto: SMB / schmedding.vonmarlin.

Was macht eigentlich … Olivia Zorn, Stellvertretende Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung

$
0
0
© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Bei den Staatlichen Museen zu Berlin arbeiten täglich hunderte MitarbeiterInnen daran, den Betrieb zu managen und tolle Projekte auf die Beine zu stellen. Hier schauen wir Olivia Zorn, Stellvertretende Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung über die Schulter.

Frau Zorn, Sie sind schon lange im Ägyptischen Museum und Papyrussammlung tätig. Erinnern Sie sich noch an den ersten Tag?
Ich habe am 16. Juli 2001 als Volontärin beim Ägyptischen Museum und Papyrussammlung angefangen. Damals waren die Ausstellung und ein Teil der Büros noch im Östlichen Stülerbau in Charlottenburg untergebracht. Da montags das Museum geschlossen war, hatte ich gleich an meinem ersten Tag die Möglichkeit, die Nofretete-Büste in einer Privataudienz zu besichtigen. Und ich war natürlich ein wenig aufgeregt, wurde aber von allen sehr herzlich empfangen und sofort als vollwertige Kollegin ins Team integriert. Das war eine wunderbare Erfahrung.

Während der vergangenen Jahre haben Sie verschiedene Standorte der Sammlung kennengelernt. Welcher hat Ihnen am besten gefallen?
Jeder Standort hat seinen ganz besonderen Charme. In Charlottenburg war es sehr familiär, jeden Morgen ging man an Nofretete vorbei und konnte den Grünen Kopf persönlich begrüßen. Die Aufstellung der Exponate war zwar optimal den gegebenen Verhältnissen angepasst, aber da die Rotunde sowie der anschließende Marstall und die Remise eigentlich keine musealen Räume waren, mussten natürlich Einschränkungen gemacht werden.
Die Präsentation im Alten Museum war völlig neu, da die Ausstellung nun im Gegensatz zur chronologischen Aufstellung in Charlottenburg thematisch gegliedert war. Außerdem gab es Tageslicht in den Räumen, wodurch die Exponate lebendiger wirkten. Wegen der begrenzten Fläche war die Ausstellung überschaubar und es hat viel Spaß gemacht, hier Besucher zu führen.
Das Neue Museum ist architektonisch – nicht zuletzt auch wegen des Restaurierungskonzeptes – das interessanteste Gebäude, auf welches das Ausstellungskonzept optimal abgestimmt ist. Dadurch, dass ich in den Prozess des Wiederaufbaus und der Konzeption sehr stark eingebunden war, ist mir dieser Standort ganz besonders ans Herz gewachsen. Einerseits kenne ich die intimen Details des Hauses, andererseits begeistert es mich mit seiner professionellen musealen Präsenz.

Woran arbeiten Sie gerade?
Als Langzeitprojekt bereite ich gerade eine große Sonderausstellung vor, die voraussichtlich 2019 in Japan gezeigt werden wird und einen sehr fundierten Einblick in die altägyptische Religion und Göttervorstellungen geben soll. Dazu werde ich das Konzept entwickeln, die Exponate auswählen, Begleitmaterialien und einen Katalog vorbereiten. Daneben ist eine Hauptaufgabe aller Kuratoren die Revision der Objekte, bei der diese mit allen Details in unsere digitale Museumsdatenbank aufgenommen werden. Des Weiteren arbeite ich an einer kleinen Publikation zu den Exponaten des Mittleren Reiches in unserer Dauerausstellung, die in unserer Reihe „Ägypten im Blick“ erscheinen wird.

Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?
Als stellvertretende Direktorin habe ich ein vielfältiges Aufgabengebiet mit verschiedenen administrativen Tätigkeiten, Leitungsaufgaben, Vorbereitung von Anträgen, Erstellen von Leistungsverzeichnissen, Koordinierung, Führung von Staatsgästen aus dem In- und Ausland, Kontaktpflege zu Kollegeninnen und Kollegen im In- und Ausland, Bearbeiten von wissenschaftlichen Anfragen, Objektbearbeitung, Vorbereitung von Katalogen und Publikationen.

Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Die Museumsarbeit ist sehr vielfältig und diese Abwechslung ist sehr reizvoll. Man kommt mit vielen interessanten Menschen zusammen und kann sich – insbesondere hier an den Staatlichen Museen – mit vielen Kollegeninnen und Kollegen austauschen und gemeinsame Projekte realisieren. Ich mag es, mich nicht nur mit dem eigenen, eng begrenzten Fachgebiet zu beschäftigen, sondern „über den Tellerrand“ zu blicken und mich der Herausforderung der öffentlichen Präsenz zu stellen.

Und was am wenigsten?
Eigentlich mag ich alles an meinem Beruf. Nur das Verfassen von Protokollen und Beurteilungen gehört nicht zu meinen Lieblingsaufgaben.

Was ist das kurioseste oder aufregendste Erlebnis, das Sie mit Ihrem Job verbinden?
Als das Museum noch in Charlottenburg war, hat eine Frau der Nofretete-Büste in regelmäßigen Abständen Blumen mitgebracht. Das fand ich nicht nur kurios, sondern vor allem eine nette und familiäre Geste, die aber auch nur in die noch recht private Atmosphäre in der Rotunde des Östlichen Stülerbaus gepasst hat.
Aufregend sind alle Kurierreisen, bei denen man mit Objekten unterwegs ist – insbesondere, wenn man im Cargo-Flugzeug direkt hinter dem Piloten mitfliegen darf.

Was würden Sie als bisherige Meilensteine Ihrer Arbeit ansehen? Sicher gehören der Wiedereinzug der Sammlung ins Neue Museum und die Eröffnung des Hauses 2009 dazu?
Der erste Meilenstein war die Vorbereitung der großen Sonderausstellung „Visions of the Divine – Masterpieces of the Museum Island Berlin“, an der 10 Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin beteiligt waren und die 2005 in Tokio und Kobe gezeigt wurde. Mir oblag die Koordination in allen Bereichen.
Der Umzug ins Alte Museum, bei dem ich schon an der Konzeptentwicklung mitarbeiten durfte und auch die Koordination übernommen hatte, und die Vorbereitung der Restaurierungsausstellung „kulturGUTerhalten“ zusammen mit meinem Kollegen Uwe Peltz von der Antikensammlung waren weitere Highlights meiner Karriere.
Und natürlich war der Wiedereinzug ins Neue Museum mit allen sich über Jahre hinziehenden Vorbereitungen der größte Meilenstein in meiner Tätigkeit, der wahrscheinlich auch in Zukunft nicht übertroffen werden kann.
Großartig war aber auch in der jüngsten Vergangenheit die Kuratierung der Sonderausstellung „Antiguo Egypto“ in Santiago de Chile, die mit über 340 Objekten und mehr als 500.000 Besuchern zur erfolgreichsten Sonderausstellung Südamerikas wurde.

Haben Sie ein Lieblingsobjekt oder eine Lieblingsobjektgruppe?
Mein Lieblingsobjekt ist ein kleiner, in Bronze mit Goldeinlagen gearbeiteter Steinbockkopf, der vermutlich einmal den Bug einer Götterbarke zierte. Das detailliert gestaltete, äußerst lebendig wirkende Gesicht ist sehr faszinierend.
Ansonsten fände ich es sehr schön, wenn wir mehr Schmuck in der Ausstellung präsentieren könnten und natürlich gibt es zahlreiche Objekte, die das Publikum interessieren. Aber wir schicken sie dann wenigstens zu Sonderausstellungen.

Würden Sie gerne einmal eine kleine Zeitreise in eine vergangene Epoche Ägyptens unternehmen? Wenn ja, in welche und was würde Sie besonders interessieren?
Da mein Forschungsschwerpunkt auf dem Mittleren Reich (ca. 2100-1750 v. Chr.) liegt, würde ich sehr gerne einmal in diese Epoche reisen. In dieser Zeit fangen die Menschen an, sich komplexeren religiösen Fragen nach der Existenz des Jenseits und dem Sinn des Lebens zu stellen. Ich würde gerne einmal mit einem weisen Schreiber im alten Ägypten darüber diskutieren.

Letzte Frage: Was würden Sie nachts allein im Museum tun?
Einfach durch die Räume schlendern, die Ruhe genießen und mir vorstellen, worüber sich die Skulpturen miteinander unterhalten.

Backstories: Der Schädel von Le Moustier

$
0
0

Unsere Reihe „Backstories“ erzählt bemerkenswerte Objektgeschichten aus den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin. In dieser Folge geht es um den 1908 entdeckten “Schädel von Le Moustier”, dem ein internationales Forscherteam in den 1990er Jahren sein Gesicht wiedergab.

Video: Bboxxfilme

(K)ein Raum für mich allein – Künstlerinnen in der Alten Nationalgalerie

$
0
0
Charlotte Berend-Corinth: Selbstbildnis mit Modell (1931) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Charlotte Berend-Corinth: Selbstbildnis mit Modell (1931) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Die Bildende Künstlerin Ines Doleschal fragt sich, warum in der Alten Nationalgalerie kaum Bilder von Künstlerinnen hängen. Hat es damit zu tun, dass patriarchalische Strukturen im Kunstbetrieb bis heute existieren? Ein Kommentar.

Text: Ines Doleschal

Von den rund 2000 Kunstwerken der Alten Nationalgalerie stammen nur etwa 30 von weiblichen Künstlerinnen – etwa 1,5 Prozent. Den 780 männlichen Künstlern im Bestand stehen 19 Künstlerinnen gegenüber, ausgestellt werden derzeit Gemälde von Caroline Bardua, Elisabeth Jerichau-Baumann, Marie Ellenrieder, Sabine Graef und Vilma Parlaghy. Was sind die Gründe für diese auffällige Diskrepanz?

Die Situation der Künstlerin im 19. Jahrhundert – Raum erobern
Schauen wir uns die Situation der bürgerlichen Frauen um 1800 in Berlin an: Henriette Herz, Rahel Varnhagen oder Dorothea Schlegel (geb. Brendel Mendelssohn) sind gebildete Frauen aus dem wohlhabenden jüdischen Bürgertum. Sie sind selbstbewusst, gebildet, meinungsfreudig und eigenständig. Dorothea Schlegel bricht aus ihrer arrangierten Ehe aus und bindet sich neu, lebt eine freie Beziehung mit Friedrich Schlegel. Sie sagt sich vom Judentum los, konvertiert, beginnt zu reisen, schreibt, publiziert und verdient ihr eigenes Geld. Der Weg der Schriftstellerin wird oftmals erschüttert, sie wird enttäuscht und muss Rückschläge, Anfeindungen und gesellschaftliche Ächtung aushalten.

Es sind nicht wenige Bürgertöchter und junge Aristokratinnen, die aus den Konventionen ausbrechen und ihr Talent zum Beruf machen. Einigen gelingt das Außerordentliche: Sie erlangen zu Lebzeiten Bekanntheit und können von ihrer Kunst leben. Die fünf Künstlerinnen in der Alten Nationalgalerie, denen ein Platz in der Schausammlung gewährt wurde, gehören dazu.

Malweiber und Damenklassen
Kunsthochschulen und -akademien sind bis 1919 in Deutschland nur für Männer vorgesehen. Ausnahmen gibt es, wie das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt am Main, das sich heute damit schmückt, als erste Kunsthochschule eine so genannte „Damenabteilung“ eingerichtet und ab 1913 Frauen offiziell aufgenommen zu haben. Frauen, die künstlerische Ambitionen haben und sich ausbilden lassen wollen, müssen sich im 19. Jahrhundert an private Kunstschulen oder Privatlehrer wenden.

Die Malerinnenschulen oder Damenakademien gibt es in Deutschland und den Nachbarländern (etwa die Académie Julien oder Colarossi in Paris) und sie sind für die jungen Frauen und ihre Elternhäuser ein teures Unterfangen. Denn neben den Lehrgebühren sind auch Kosten für Modelle, Material und Exkursionen zu entrichten. Bisweilen zahlen sie fünfmal so viel wie ihre Kollegen an den öffentlichen Einrichtungen. Für das männliche Lehrpersonal wiederum ist das Unterrichten von jungen Frauen ein überaus lukratives Geschäft. Ihre „Damenklassen“ laufen gut und sind sehr gefragt, da spielt keine Rolle, ob sie selbst nur zum Mittelmaß gehören. Auch ihr Interesse an einer guten Lehre oder individuellen Förderung ist eher gering, denn Begabungen fördern heißt Konkurrenz und Veränderungen in den etablierten, männlich dominierten Strukturen des Kunstbetriebs zu riskieren. Daran scheint keinem Künstler gelegen.

Für die jungen Frauen indes, sind neben den finanziellen Hürden weitere Hindernisse zu überwinden: Sie müssen sich gegen ihre Familien behaupten. Der Vater von Paula Modersohn-Becker zum Beispiel möchte, dass seine Tochter Lehrerin wird und Kochkurse belegt. Auch gesellschaftliche Erwartungen (der bohèmehafte Künstlerberuf ist nichts für gesittete bürgerliche Damen!) und das gängige Klischee, doch sowieso nur auf der Suche nach einem Ehemann zu sein, bremsen die Frauen. „Es giebt zwei Arten von Malerinnen“, ätzen Satireblätter wie der Simplicissimus, „die einen möchten heiraten und die anderen haben auch kein Talent“ („Malweiber“ von Bruno Paul, 1901).

Malweiber_Simplicissimus 1901 Jg 6 Heft 15 Seite 117
Malweiber_Simplicissimus 1901 Jg 6 Heft 15 Seite 117

Genie, so der Konsens im Kunstbetrieb, ist männlich besetzt. Frauen taugen höchstens zur Kopistin oder Nachahmerin ihrer Kollegen. „Wissenschaftlich“ untermauert wird dieses Einvernehmen in bekannten Publikationen jener Zeit. In Anton Hirschs „Die Bildenden Künstlerinnen der Neuzeit“ (1905), Karl Schefflers „Die Frau und die Kunst“ (1908) und Hans Hildebrandts „Die Frau als Künstlerin“ (1928) werden zwar zum ersten Mal Künstlerinnen der Vergangenheit und Gegenwart umfangreich vorgestellt und abgebildet, gleichzeitig wird ihre künstlerische Leistung aber in Frage gestellt. Die Sorge vor der wachsenden weiblichen Konkurrenz ist in den Publikationen, Kritiken und öffentlichen Äußerungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nur allzu spürbar. Man spricht den Frauen Originalität und schöpferische Kraft ab. Ist eine Begabung doch unübersehbar, wird die Künstlerin als ‚ungesund männlich’ beschrieben.

Ein wirkungsvolles Mittel gegen diese Konkurrenz ist eine Heirat und Schwangerschaft. Die Impressionistin Marie Bracquemond gibt nach jahrelangem, neidvollem Nörgeln ihres Künstlergatten schließlich die Malerei ernüchtert auf. Marianne von Werefkin, eine herausragende Vertreterin des Expressionismus, sieht ihren Partner Alexej Jawlensky eifersüchtig über ihre Produktion wachen und die Malerin und Sängerin Minna Tube bekommt Malverbot von ihrem Gatten Max Beckmann, kaum dass sie geheiratet haben und sie ihr erstes Kind erwartet. Auch Charlotte Behrend, erste Schülerin in Lovis Corinths neu eingerichteter Damenklasse und von ihm zur Ehefrau auserwählt, muss zurückstecken, wenngleich sie ihr Atelier behalten und auch arbeiten darf – für den Hausgebrauch.

Charlotte Berend-Corinth: Selbstbildnis mit Modell (1931) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
Charlotte Berend-Corinth: Selbstbildnis mit Modell (1931) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Künstlerisch arbeitende Frauen sind im 19. Jahrhundert keine Seltenheit, ja, die weibliche Kunstproduktion nimmt in der zweiten Hälfte sogar sprunghaft zu. Einige Künstlerinnen sind erfolgreich, sie bekommen öffentliche Anerkennung und dürfen an jurierten Jahresausstellungen teilnehmen. Und ihre Kunst verkauft sich gut an private Sammler aus bürgerlichen und aristokratischen Kreisen.

Die Nationalgalerie in Berlin – ein Männerhort
Der Grundbestand der Alten Nationalgalerie ist die Sammlung des Berliner Bankiers Joachim Heinrich Wilhelm Wagener. Er beginnt 1815 mit der Sammeltätigkeit. Sein erster Ankauf ist ein Gemälde von Karl Friedrich Schinkel, das heute in der Dauerausstellung hängt („Gotische Kirche auf einem Felsen am Meer“, 1815). Wagener schätzt neben Schinkel Berliner Maler wie Eduard Gaertner, August Kopisch und Franz Krüger. Genredarstellungen, Historien- und Landschaftsmalerei der Düsseldorfer und Münchner Schule sind weitere Schwerpunkte – Gemälde von Malerinnen sucht man in seiner Sammlung vergebens.

Julius Friedrich Anton Schrader: Bildnis des Bankiers Joachim Heinrich Wilhelm Wagener (1856) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Karin März
Julius Friedrich Anton Schrader: Bildnis des Bankiers Joachim Heinrich Wilhelm Wagener (1856) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Karin März

Zwei Jahre vor seinem Tod 1861 verfügt Wagener, dass seine inzwischen 262 Werke umfassende Sammlung in einem so genannten Nationalmuseum öffentlich und in demokratischer Absicht für alle Bürger zugänglich gemacht werde. Dies geschieht auch: Zunächst ist die Sammlung im alten Akademiegebäude Unter den Linden zu sehen. Als 1876 das Gebäude der Nationalgalerie fertig gestellt ist, zieht die Sammlung, inzwischen stark gewachsen, in die neuen Räume. 1874 wird Max Jordan erster Direktor, nachdem der Akademieprofessor Wilhelm Eduard Daege die Sammlung kommissarisch geleitet hatte. 1896 folgt der Schweizer Hugo von Tschudi und ab 1910 Ludwig Justi, der 1933 schließlich von den Nazis „beurlaubt“ wird. Unter diesen prägenden Direktoren werden etwa zehn von Frauen geschaffene Werke angekauft. Die anderen Gemälde von Künstlerinnen kommen durch Schenkungen und über Nachlässe ins Haus. Warum hatten die Museumsleiter ein so geringes Interesse an Kunst von Frauen?

Die Kunstgeschichtsschreibung ist von Beginn an männlich und scheint es bis heute zu sein. Damit hat sie einen maßgeblichen Anteil am Unsichtbarmachen der Frauen: In den frühen Überblickswerken der Impressionisten etwa tauchen die Künstlerinnen gar nicht auf – obwohl Berthe Morrisot, Eva Gonzalez, Mary Cassatt, sowie die bereits erwähnte Marie Bracquemond für das Entstehen des neuen Stils entscheidende Impulse gegeben haben. Sie werden systematisch ausgeschlossen und übergangen. Ihre ideellen und künstlerischen Erfolge bleiben damit einer größeren Öffentlichkeit verborgen – vor allem auch posthum. Kunsthistoriker und Kritiker, Galeristen und Sammler, Juroren, Museumsleiter und Kustoden – alles Männer: Das Patriarchat steht in voller Blüte! Alle wichtigen Schalt- und Entscheidungspositionen des Kunstbetriebs sind in Männerhand. Männer sind es, die durch den Ankauf, durch das Ausrichten von Einzelausstellungen, durch die Vergabe von Preisen und Stipendien und durch Publikationen ganz erheblich über Qualität, Relevanz, Marktwert und Fortbestand eines Oeuvres befinden – daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert.

Titelblatt der Monatsschrift "Der Sturm", herausgegeben von Herwarth Walden, vom Januar 1923 ©  bpk / Kunstbibliothek, SMB / Dietmar Katz
Titelblatt der Monatsschrift “Der Sturm”, herausgegeben von Herwarth Walden, vom Januar 1923 © bpk / Kunstbibliothek, SMB / Dietmar Katz

Es gibt natürlich Ausnahmen. Der Galerist Herwarth Walden stellt im Laufe seiner Galerietätigkeit von 1912 bis 1930 die Werke vieler Frauen aus und publiziert über sie in seinem berühmten Magazin „DER STURM“ (1910-1932). Für Walden sind weibliche Kunstschaffende keine Randgruppe, die man besonders kritisch in Augenschein nehmen muss. Ihre Kunst, so propagiert er, ist der ihrer männlichen Kollegen ebenbürtig; es gibt also keinen Grund für Walden, sie nicht zu zeigen. Damit ist er der einzige Mann weit und breit, der eine der Realität angemessene Proportionalität an Kunst von Frauen zeigt. Er hat zu seiner Zeit mit dieser offenen Haltung keinen Seelenverwandten unter den Berliner Kollegen: Cassirer, Flechtheim, die Nierendorf-Brüder, die wichtigsten und einflussreichsten Galeristen der Stadt, verzeichnen keine nennenswerten Ausstellungen von oder mit Frauen.

Abgesehen von der Problematik des voreingenommenen männlichen Blicks hat die Künstlerin des 19. Jahrhunderts noch andere Hürden zu nehmen, an denen sie allzu oft scheitert. Wie bereits erwähnt gibt es zahllose Künstlerinnen, die ihre Karriere aufgrund von gesellschaftlichem oder familiärem Druck ganz oder zeitweise aufgeben. Charlotte Berend-Corinth gehört nicht zu den bedauernswertesten ihrer Kolleginnen – sie bekommt weder Malverbot, noch muss sie ihr Atelier aufgeben. Sie ist in der heutigen Sammlung der Alten Nationalgalerie vertreten, aber nicht als Kunstschaffende, sondern als Gemalte. Die Porträts ihres Künstlergatten Lovis, dem sie zeitlebens zu Lasten ihrer eigenen Karriere den Rücken frei hält, zeigen sie als Schwangere, als blumenbekränzte Ehefrau und als hingebungsvolle Mutter. Ihr Oeuvre steht nicht nur im Schatten ihres Mannes, es bleibt auch sehr schmal. Doch selbst wenn dies nicht der Fall ist, wie etwa bei Paula Modersohn-Becker, die in der Kürze ihrer Lebenszeit ungeheuer produktiv war, bleibt das Werk einer Künstlerin dennoch meist wenig erschlossen, ist weit verstreut, unsigniert, nicht dokumentiert oder verloren gegangen. Ein eindrückliches Zeugnis davon gab die Schirn Kunsthalle Frankfurt 2015 mit ihrer Ausstellung „Sturm-Frauen. Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910–1932“.

Lovis Corinth: Mutterliebe (1911) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken
Lovis Corinth: Mutterliebe (1911) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Klaus Göken

Die oben beschriebenen Umstände wirken sich auch auf das skulpturale Bildprogramm der Alten Nationalgalerie aus. In seiner Verfügung erbat der Ur-Stifter Wagener für seine Sammlung eine demokratische Präsentation: Sie sollte für alle Menschen zugänglich gemacht werden, jede und jeder sollte sich darin wiederfinden. Der Kunsttempel und sein Bildprogramm suggerieren jedoch Exklusivität: Hoch aufgesockelt steht das Gebäude wie ein Künstlerwallhall, hoheitliche und patriarchalische Insignien überall. Ringsum an den Außenmauern prangen Namen von männlichen Künstlern; im prominenten Fries von Otto Geyer im Treppenhaus sind ebenfalls nur Männer aus Wissenschaft, Politik und Kunst vereint. Die wenigen Frauen an ihrer Seite sind lediglich schmückendes Beiwerk. Der weibliche Figurenschmuck im und am Haus ist allegorisch-stereotyp, halbnackt und anonym-entrückt: die Germania im Giebelfeld, die Schwesternkünste auf dem Dach, die Musen um das Reiterstandbild von Alexander Calandrelli. Hinzu kommen die vielen, mitunter tendenziösen Darstellungen von Weiblichkeit in der Sammlung. Eine Autokratie der Männer! Frauen sind hier in keiner Weise angemessen im Bildprogramm und in der Sammlung vertreten. Die Alte Nationalgalerie erscheint, wenn auch völlig zeittypisch, als Hort und Abbild eines chauvinistischen Geistes. Wen wundert es, dass die Ankaufstätigkeit der Nationalgalerie so einseitig betrieben wurde?

Caroline Bardua: Künstlerin ohne Raum
Virgina Woolfs berühmter Essay „A Room of One’s Own“ (1929), der diesem Beitrag Pate steht, ist ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Sichtbarkeit und Unabhängigkeit von Frauen. Vielen Frauen im berüchtigten Spagat zwischen gesellschaftlichen Erwartungen, Rollenzuweisungen, Familie und Beruf ist der von Woolf ersehnte „künstlerische Entfaltungsraum“ verwehrt. Wenigen gelang und gelingt es, ihn zu erobern – und den öffentlichen „Anerkennungsraum“ einschließlich einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit vom (Ehe-)Mann noch dazu.

Die Künstlerin Caroline Bardua hat sich beides zu Lebzeiten erobert. Sie wurde 1781 in Ballenstedt im Harz geboren und starb 1864 ebendort. Sie gilt als eine der ersten bürgerlichen Frauen, die sich eine Existenz als freischaffende bildende Künstlerin aufbauen konnte. In ein musisch-interessiertes Elternhaus geboren, wird ihr künstlerisches Talent gefördert; in Weimar lernt sie Goethe kennen und zeichnet ihn. Er empfiehlt sie weiter an den Porträt- und Historienmaler Gerhard von Kügelgen in Dresden, bei dem sie ein privates Kunststudium absolviert. Hier trifft sie Anton Graff und den noch unbekannten Caspar David Friedrich, den sie 1810 und noch einmal 1839 porträtiert. 1811 beendet sie ihr Studium und beginnt ihre Karriere, zunächst in Sachsen-Anhalt, später in Berlin, mit bescheidenem Erfolg.

Mit ihrer Schwester Wilhelmine, einer Sängerin, unterhält sie zeitlebens eine enge Arbeits- und Lebensgemeinschaft. Beide bleiben unverheiratet und kinderlos. Nach 1822 wird die männliche Konkurrenz in Berlin so stark, dass Bardua, auch unter dem ungerechten Vorwurf, keine akademische Ausbildung zu haben und damit nicht professionell zu sein, ihre künstlerische Tätigkeit aufgeben muss. Ein unstetes Wanderleben beginnt. Dennoch gewährt ihr die Akademie der Bildenden Künste in Berlin ab 1839 eine jährliche Pension als offizielle Anerkennung für ihre künstlerischen Leistungen. Weitere Achtung, auch in Gestalt einer Goldmedaille, wird ihr am Herzoglichen Hof von Ballenstedt zuteil, wo sie ab 1852 wieder lebt und das kulturelle Leben maßgeblich mitgestaltet. Barduas gute Verbindungen, ihr Talent für das Netzwerken und ihre Beharrlichkeit sichern ihr ausreichend Aufträge und Bestätigung. Barduas Werk ist umfangreich, man spricht von 300 Porträtgemälden und 18 Historienbildern. Zwei Werke finden 1911 und 1922 Eingang in die Sammlung der Nationalgalerie. Das ältere ist ein Porträt des Kollegen Caspar David Friedrich; es befindet sich zurzeit an einer schmalen Wand des Friedrich-Saales.

Caroline Bardua: Bildnis des Malers Caspar David Friedrich (1810) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Reinhard Saczewski
Caroline Bardua: Bildnis des Malers Caspar David Friedrich (1810) © bpk / Nationalgalerie, SMB / Reinhard Saczewski

Schauen wir uns die Provenienz des Porträts genauer an: Das Bildnis ist unbezeichnet und wird zunächst für ein Selbstporträt gehalten und als solches 1911 unter Ludwig Justi angekauft. Doch der norwegische Friedrich-Forscher Andreas Aubert schreibt es kurze Zeit später glaubhaft Caroline Bardua zu. Wert und Interesse an dem Werk sinken. Zwar wird es mehrfach in Sonderausstellungen gezeigt, aber aus der Dauerausstellung verschwindet es. Erst im Februar 2016 bekommt es wieder einen Platz in der Öffentlichkeit, allerdings nur auf Zeit. „Barduas Gemälde zählt nicht zum Schaubestand der Alten Nationalgalerie und wird nur sporadisch gezeigt, insbesondere wenn andere Gemälde verliehen sind“, so Philipp Demandt, ehemaliger Leiter der Alten Nationalgalerie, im Gespräch mit Julia Voss für die FAZ. „Das Bild war vor einigen Jahren im Dresdener Kügelgenhaus zu sehen, ansonsten ist es meist im Depot.“

Barduas Porträt – ein Lückenfüller? Wäre das Kunstwerk überhaupt sichtbar, wenn nicht eine so prominente Malerpersönlichkeit wie Caspar David Friedrich abgebildet wäre? Caroline Barduas „Raum“ ist heute keiner mehr – diese ernüchternde Feststellung dürfte exemplarisch für das Werk vieler Künstlerinnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts stehen. Ihnen fehlt es an Öffentlichkeit, an wissenschaftlicher Erschließung und damit an Wertschätzung.

Hundert Jahre später – alles gut?
Es ist ein Gemeinplatz, dass Frauen immer noch einen schwierigen Spagat zu meistern haben, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Eine Karriere ist vor allem Frauen mit Kindern eher selten beschieden. Im Kunstbetrieb ist das nicht anders, sogar schwieriger, denn Vorurteile sind – wie oben beschrieben – noch immer virulent und ein echter Strukturwandel nicht in Sicht. Kunst zu schaffen, die auffällt und innovativ ist, setzt Raum, jede Menge Zeit und (auch finanzielle) Unabhängigkeit voraus, also jene Bedingungen, die Woolf für künstlerisch oder wissenschaftlich ambitionierte Frauen einforderte.

Seit den 1980er Jahren gibt es ein größeres Bewusstsein für das Thema, auch dank des Engagements von Künstlerinnen wie den Guerrilla Girls, die postulierten, man müsse als Frau nackt sein, um ins Museum zu kommen, und die auf die ausgeprägten Missverhältnisse an öffentlichen Häusern aufmerksam machten. Allerdings sind Veränderungen nur sehr schleppend zu verzeichnen. Zum 30-jährigen Jubiläum der Künstlerinnengruppe untersuchten die Guerrilla Girls den Fortschritt der letzten Jahrzehnte: 1985 hatte nur eine Künstlerin eine Solo-Ausstellung in den vier größten New Yorker Museen erhalten, 2015 waren es bescheidene fünf. In Berlin sieht es nicht viel besser aus. Von 13 Einzelausstellungen zeitgenössischer Kunst an großen Häusern im April 2017 (Staatliche Museen zu Berlin, Berlinische Galerie, KW Institute, Martin-Gropius-Bau, me Collectors Room und DB-Kunsthalle) stammen drei von Frauen.

© Guerrilla Girls, Courtesy www.guerrillagirls.com
© Guerrilla Girls, Courtesy www.guerrillagirls.com

Zwar gibt es inzwischen einen deutlichen Zuwachs an Frauen in Entscheidungspositionen (Museumleitungen, Kuratorinnenstellen); dies bedeutet aber nicht, dass Künstlerinnen damit stärker gefördert und ausgestellt würden. Wo auch immer man zählt – es sind überall deutlich mehr Männer als Frauen in Ausstellungen vertreten und das, obwohl mehr als 50 Prozent Frauen an den Akademien studieren und graduieren.

Handelt es sich um mangelnde Begabung und Qualität? Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man sich die Statistiken des Berufsverbands Bildender KünstlerInnen Berlin (bbk Berlin) zum Thema gender pay gap ansieht: Den größten Einbruch erleben Frauen in und nach der so genannten Familienphase. Kunst und Kinder scheinen nahezu unverträglich – der Kunstmarkt fordert und fördert den unabhängigen, flexiblen, mobilen, verfügbaren und netzwerkenden Kunstschaffenden. Stipendien und Auszeichnungen, Ausstellungen und Förderungen gehen deshalb hauptsächlich an männliche Künstler, weil sie viel häufiger diesen Kriterien entsprechen.

Eine Studie des Deutschen Kulturrats über die Benachteiligung von Frauen in Kunst und Medien von 2016 fordert, dass Jurys und Auswahlgremien, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, geschlechtergerecht besetzt werden; dass Maßnahmen der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie hinsichtlich von Altersgrenzen flexibilisiert werden (die Altersbegrenzung für viele Stipendien liegt derzeit bei 35 Jahren!); dass Auswahlverfahren möglichst anonymisiert erfolgen und dass ein Förderprogramm für den künstlerischen Wiedereinstieg nach einer Familienphase entwickelt wird.

Und so zeigt sich bei einer näheren und ehrlichen Betrachtung des Themas: Trotz aller positiven Dynamik und den löblichen Versuchen, Künstlerinnen von damals und heute ins rechte und angemessene Licht zu rücken, ist Virginia Woolfs „Raum“ noch längst nicht erschlossen und es bleibt viel zu tun.

Dieser Text basiert auf einem Impulsvortrag, den Ines Doleschal im Rahmen der Veranstaltungsreihe TISCHGESPRÄCH am 29. April 2017 in der Alten Nationalgalerie gehalten hat. Die Reihe ist Teil der Vermittlungs-Initiative „About the Museum – Studierende in den Staatlichen Museen zu Berlin“. Das nächste TISCHGESPRÄCH mit der Afrikawissenschaftlerin Josephine Apraku findet am 27. Mai 2017 von 14.30 bis 17.30 Uhr unter dem Titel: „Der geschärfte Blick – Rassismuskritische Perspektiven kennenlernen und einüben“ in der Alten Nationalgalerie statt.

Weitere Informationen: studierende.smb.museum und auf Facebook: ABOUT THE MUSEUM

ABOUT THE MUSEUM wird gefördert durch die Sparkassen-Finanzgruppe.

Ein Haus im Grünen? Die Freianlagen der Neuen Nationalgalerie

$
0
0
Der Skulpturengarten zur Eröffnung des Museums (c) Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Reinhard Friedrich;
Der Skulpturengarten zur Eröffnung des Museums (c) Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Reinhard Friedrich;

Als die Neue Nationalgalerie 1995 unter Denkmalschutz gestellt wurde, betraf dies auch den Skulpturengarten. Unsere Redakteurin Constanze von Marlin hat sich mit der Landschaftsarchitektin Bettina Bergande über die Freiraumplanung der Neuen Nationalgalerie unterhalten.

Die Neue Nationalgalerie im Bau, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Reinhard Friedrich
Die Neue Nationalgalerie im Bau, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Reinhard Friedrich

Das Baufeld für die Neue Nationalgalerie im Berlin der 1960er Jahre war eine kriegszerstörte, abgeräumte Fläche. Doch historische Fotos zeugen auch von der grünen Umgebung: im Norden der bereits wieder heranwachsende Große Tiergarten und im Süden der zum Teil erhaltene alte Baumbestand und neue Pflanzungen am Ufer des Landwehrkanals. Mies van der Rohe hatte seit Beginn der Planungen für die Galerie des 20. Jahrhunderts die umgebende Natur im Blick, weit über den heute international bekannten Skulpturengarten hinaus. Ausgangspunkt für die Interpretation der konkreten Freiraumplanung ist der Lageplan von Mies, der in der Präsentationsmappe von 1963 enthalten ist.

Ludwig Mies van der Rohe: Präsentationsmappe für den Bau der Neuen Nationalgalerie, Lageplan, Foto: (c) bpk / Kunstbibliothek, SMB / Dietmar Katz
Ludwig Mies van der Rohe: Präsentationsmappe für den Bau der Neuen Nationalgalerie, Lageplan, Foto: (c) bpk / Kunstbibliothek, SMB / Dietmar Katz

Von Anfang an zentrales Anliegen
Für den Plan wählte der Architekt einen relativ großen Stadtausschnitt. Zu erkennen ist die Positionierung des quadratischen Gebäudes, die sich am ehemals orthogonalen Stadtgrundriss des historischen Tiergartenviertels mit der Matthäuskirche im Zentrum orientiert. Ebenso lässt sich die Form und Struktur des Bauwerks mit seiner Quadratrasterung erkennen. Die strenge Geometrie wird allerdings durch die Darstellung unzähliger, lockerer Baumpflanzungen zurückgenommen, deren Dichte in der heutigen Stadtlandschaft kaum erreicht wird. Visuell sehr eindrücklich wird hier der Naturbezug Mies’scher Architektur in Szene gesetzt. Die Architektur in ihrer stadt- und landschaftsräumlichen Einbindung war Mies von Anfang an ein zentrales Anliegen. Seit 2013 beschäftigt sich die Landschaftsarchitektin Bettina Bergande vom Büro TOPOS im Rahmen der Fachplanung für die Freianlagen der Neuen Nationalgalerie mit dem Thema. Sie erläutert die beiden Funktionen der gärtnerischen Anlagen, zum einen als Fortsetzung der Ausstellungsflächen im Untergeschoss in den Skulpturengarten und der oberen Halle auf die Terrasse, zum anderen als Einbettung in den begrünten Stadtraum.

Der Skulpturengarten zur Eröffnung des Museums, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Reinhard Friedrich
Der Skulpturengarten zur Eröffnung des Museums, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Reinhard Friedrich

Der Skulpturengarten ist über die gesamte Gebäudebreite nur durch Glasscheiben von der Ausstellungshalle getrennt. Die fünf Meter hohen Umfriedungen rufen im Zusammenspiel mit der Bepflanzung und dem Wasserbecken den introvertierten und kontemplativen Charakter des Gartens hervor, der die Begegnung mit den in lockerer Anordnung verteilten Skulpturen unterstützt. Im Gegensatz zur klimatisierten, temperierten und gleichmäßig ausgeleuchteten Ausstellungsfläche ist die Betrachtung der Kunstwerke im Freien vom wechselnden Wetter, Licht und Jahreszeiten beeinflusst. Mies plante eine visuelle Anbindung an das umgebende Grün mit ein. Dabei wurde er durch den Berliner Gartenarchitekten und Gartenamtsleiter Eberhard Fink unterstützt. Auf einem Ausflug in den nahe gelegenen Tiergarten suchten beide nach Baumarten, die Mies Vorgaben entsprachen. Es sollten feinblättrig gefiederte Bäume mit großen, unregelmäßigen und leicht lichtdurchlässigen Kronen sein. Die Wahl fiel in der Mehrzahl auf Gleditschien und Silberahorne. Um eine Kontinuität zwischen Skulpturengarten und Umgebung herzustellen, wurden die beiden Baumarten auch auf der Terrasse und der umgebenden Grünfläche gepflanzt.

Angehobene Platten und Verwerfungen im Bodenbelag im Skulpturengarten, Foto: schmedding.vonmarlin.
Angehobene Platten und Verwerfungen im Bodenbelag im Skulpturengarten, Foto: schmedding.vonmarlin.

Veränderter Charakter
Als Bettina Bergande am Konzept zum Erhalt und zur Wiederherstellung des Gartendenkmals im Rahmen der Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie zu arbeiten begann, fand sie einen Erhaltungszustand der Grünanlagen vor, der zu einem wesentlichen Teil nicht mehr dem Bestandsplan von 1967/68 entsprach und zudem gravierende Sicherheitsmängel vorwies. Angehobene Platten und Verwerfungen im Bodenbelag führten – neben klimatechnischen Gründen – dazu, dass der Zugang zum Skulpturengarten bereits seit vielen Jahren gesperrt werden musste. Durch die Art der Pflege hatte sich auch der Charakter der Anlage entscheidend verändert.

Feuerdorn-Unterpflanzung im Skulpturengarten im Jahr 2013, Foto: Bettina Bergande
Feuerdorn-Unterpflanzung im Skulpturengarten im Jahr 2013, Foto: Bettina Bergande

Waren die Feuerdorne im Skulpturengarten und auf der Terrasse ursprünglich als lockere Unterpflanzung der Bäume gedacht, hatte ihre Form durch den Beschnitt inzwischen eine kompakte und geometrische Form angenommen. Über die Jahre blieben auch die Eigenschaften der Gleditschien und Silberahorne als Flachwurzler nicht ohne Folgen. Vom Habitus entspricht der Baum den Vorstellungen von Mies, bei der Anpflanzung wurde allerdings das aggressive und ausbreitungsfreudige Wurzelwachstum nicht berücksichtigt. Deshalb werden zukünftig die Beete seitlich begrenzt und den Bäumen unter dem Plattenbelag größere Durchwurzelungsräume gegeben. Einzelne Beete werden im Zuge der Grundinstandsetzung leicht vergrößert.

Plan „Bäume – Bestand und Verluste“, Plan: BBR/TOPOS, 2013
Plan „Bäume – Bestand und Verluste“, Plan: BBR/TOPOS, 2013

Schäden durch Wurzelwerk
Zur detaillierten Vorplanung des Büros TOPOS Landschaftsplanung gehört auch der Vergleich des durch Mies freigegebenen Plans für die Außenanlagen von 1967 mit dem Bestandsplan von 1969 nach der Ausführung sowie einer Bestandsaufnahme der Bäume aus dem Jahr 2013. Die Analyse des Bestands und der Verluste führten zu einer denkmalpflegerischen Bewertung. Auf der Terrasse sind eine Robinie und eine Ulme sowie im Skulpturengarten eine Birke gewachsen, die weder geplant waren noch dem bauzeitlichen Zustand entsprechen. Immer unter der Maßgabe des größtmöglichen Erhalts und der denkmalgerechten Wiederherstellung der Außenanlagen, aber auch der unumgänglichen Grundinstandsetzung der Bausubstanz wurden Fällempfehlungen erarbeitet. Die Demontage der Granitplatten im Skulpturengarten hat das Schadensbild durch das Wurzelwerk erst in vollem Umfang sichtbar gemacht und die bisherigen Entscheidungen bekräftigt.

Freigelegte Gleditschien-Wurzeln unter den Platten im Skulpturengarten, Foto: Jürgen Liehr
Freigelegte Gleditschien-Wurzeln unter den Platten im Skulpturengarten, Foto: Jürgen Liehr

Gemäß dem abgestimmten städtebaulichen und denkmalpflegerischen Leitbild für den Skulpturengarten führt Bettina Bergande verschiedene Maßnahmen auf. Dazu gehören die Wiederherstellung der Bepflanzung des Gartenhofs mit höhengestaffelter Pflanzung und Wandberankung, Artenzusammensetzung und Baumstandorte, außerdem modellierte Pflanzenbeete, der Erhalt beziehungsweise die Sanierung des Wasserbeckens einschließlich der Springbrunnendüsen und mobilen Unterwasserscheinwerfern, der Wiedereinbau des originalen Granitplattenbelags und der Granitbänke sowie die Wiederherstellung der rahmenden Pflanzung mit Laubbäumen außerhalb der Mauer.

Besonders die Platten um die Pflanzbeete sind durch Wurzeln beschädigt, Foto: schmedding.vonmarlin.
Besonders die Platten um die Pflanzbeete sind durch Wurzeln beschädigt, Foto: schmedding.vonmarlin.
Der Standort der Silber-Ahorne auf der Terrasse stimmt mit der Planung von 1967 überein, Foto: schmedding.vonmarlin.
Der Standort der Silber-Ahorne auf der Terrasse stimmt mit der Planung von 1967 überein, Foto: schmedding.vonmarlin.

Eine Chance für den ganzen Bereich
Das Bearbeitungsgebiet für die Freiraumplanung ist natürlich auf das Grundstück der Neuen Nationalgalerie einschließlich der Privatstraße und der Gehwegflächen, die einheitlich mit Granit-Mosaikpflaster befestigt sind, begrenzt. Ein wesentlicher Teil der Vorplanung von TOPOS besteht aber darin, das gesamte Grundstück wie auch das städtebauliche Umfeld bis hin zum Reichpietschufer in das denkmalpflegerische Leitbild einzubeziehen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bezirk Mitte wurden in gemeinsamen Gesprächen auf der politischen Ebene gebeten das Umfeld überarbeiten bzw. bereinigen zu lassen, um dem Anspruch der Neuen Nationalgalerie gerecht zu werden.

Dazu wurden Vorschläge unterbreitet, u.a. Baumpflanzungen auf den Straßenmittelbereichen und am Landwehrkanal sowie auch die Entfernung von Stromkästen. Jedoch ist im Umfeld die Aktivität Berlins gefragt. „Die Grundinstandsetzung des Museums ermöglicht die Chance, auch die Freianlagen außerhalb des Baudenkmals, die jedoch zum Denkmalensemble des Kulturforums gehören, unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten instand zu setzen.“ Bettina Bergande ist dieser Aspekt so wichtig, weil die Ausstrahlung des Gebäudes in seiner Geometrie und Strenge der Architektur von dem Kontrast zu einer vegetabilen, grünen Umgebung lebt. In der oberen Ausstellungshalle weitet sich der Blick nicht nur zur Matthäuskirche sondern auch in den südwestlichen Landschaftsraum, bildhaft gerahmt durch die großen Glasscheiben.

Text: schmedding.vonmarlin.

Viewing all 240 articles
Browse latest View live




Latest Images